Freundschaft


Es war ein kleiner Junge, der am Wegrand mit einer Plastikflaschenrakete spielte. Sie zischte, sie schlitterte durch den Schnee. Der Junge war glücklich, weil seine neue Formel funktionierte.
Das war der Zeitpunkt, wo drei Hipster-Jugendliche ihn sahen. Es wurmte sie, dass dieser kleine Knilch sie schon jetzt übertraf. Was würde er erst in zehn Jahren machen?
Den musste man eindeutig eine Abreibung erteilen. Der Junge erkannte sofort und rannte um sein Leben. Doch die düster grinsende Jugendlichen kamen immer näher. Plötzlich lief er in etwas weiches, ein Mädchen.
„Keine Angst, Kleiner. Ich hab dich vorher gesehen.“, flüsterte sie ihm sanft zu und nahm seine Flasche mit der Raketenflüssigkeit.
„Ich hoffe nur sie taugt was.“, seelenruhig schüttete sie die Flüssigkeit in ihre leere Trinkflasche und steckte einen Stock hinein. Die Jugendlichen waren mittlerweile fast da. Das Mädchen legte an und zielte.
„Ey stell dich nicht in unseren Weg, Hübsche.“, pöbelte einer der Jugendlichen.
Die Flasche schoss einen der Jugendlichen mitten durch die Brust. Ungläubig wankend, langsam realisierend, dass seine Zeit abgelaufen war, wankte er noch zwei Schritte, bevor er mausetot zu Boden stürzte. Die anderen Jugendlichen begannen schreiend zu rennen.
„Hier, hast du wieder.“, das Mädchen gab dem Jungen seine Flüssigkeit wieder, „Es ist immer gut einen guten Freund zu haben.“
Die beiden wurden von dem Augenblick an unzertrennliche Freunde. Während andere Kinder Fußball spielten, bauten sie an Raketen und ritten auf Roboterpferden durch die Nacht.

Der Bäcker ohne Brötchen


Es war einmal ein reicher Bäcker. Er besaß eine riesige Bäckerei und war weltbekannt für seine Brötchen. Einen Sohn hatte er, einen fleißigen Schüler, Studenten und bald fähigen Geschäftsmann.
Hand in Hand erwirtschafteten sie sich Millionen.
Bis zum traurigen Tag als der Vater starb…

Der Sohn erbte, voll Vorfreude an einen boomenden Geschäft. Und die Kunden kamen. Aßen bei ihm mit Genuss. Doch sein Geschäftsinstinkt sagte ihn, es sei nicht genug.
So bot er zusätzlich edle Schokoladen an, die weggingen wie seine warme Semmeln.
Zu seinem eigenen Unglück war der Profit ihm immer noch nicht groß genug und so erweiterte er sein Sortiment um Haushaltsmittel. Immer mehr und mehr, bis ihm keine Zeit mehr zum Backen blieb.

Zuerst waren noch immer viele staunende Kunden in seiner Bäckerei. Doch es wurden immer weniger. Nach ein paar Jahren konnte er seine Besucher an der Hand abzählen, Ausnahme eine Touristengruppe verirrte sich zu seinem Geschäft.
Die Einnahmen sanken dramatisch. Zum ersten mal im negativen Bereich. Doch er ließ sich nicht beirren. Immer größer wurde sein Sortiment.
Gegenüber eröffnete eine andere Bäckerei.
Und die Kunden blieben fast ganz weg, nur ein paar neugierige Touristen kamen noch zu ihm.
Die Einnahmen fielen fast auf 0. Nur das angesparte Geld half ihm solvent zu bleiben.
Eines Tages kamen zwei Journalisten vorbei, die ihn nach allerhand fragten, auch seinem Geschäftsmodell.
„Stimmt es, dass Sie keine Brötchen mehr backen?“, fragte einer der Journalisten.
„Ja. Ich hab keine Zeit mehr dazu. Das Sortiment will erweitert werden.“

Zwei Tage passierte nichts, dann auf einmal war der Laden voll,
mit Schaulustigen, die nichts zahlten, die nichts nutzten.
Immer wieder wurde er gefragt, ob er wirklich keine Brötchen mehr backen würde.
Einer der Schaulustigen, setzte dem die Krone auf:
Er kam mit einem Brötchen, von dem Bäcker gegenüber, zu ihm.

Eines war klar: Die Journalisten waren schuld und der gegenüberliegende Bäcker, der Konkurrent.
Klagen würde helfen, niemand würde seinen Genius in Frage stellen.
Der Bäcker setzte sich an seinen Schreibtisch,
seine Füller war bereit, die ruinösen Klagen zu schreiben,
seine Gedanken voller Rache,
als sein Blick auf einen angestaubten Ordner fiel.
Geschäftsgeheimnisse, die Rezepte für die Brötchen.
Als ein Strahl der Erkenntnis sein Gehirn durchfuhr.
Er wollte Brötchen backen…
er brauchte Gehilfen…

Die konkurrierende Bäckerei schloss, wie vereinbart. Die Einnahmen waren so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Und Brötchen aus seiner Bäckerei Verkaufsschlager. Sollte…
Sein Konkurrent oder besser gesagt Mitarbeiter schlug ihm kräftig auf die Schulter.
„Komm jetzt. Sinniere nicht über Finanzen. Die Brötchen…“

Der Wolfsmensch


Er kam aus dem Nichts, aus der Wildnis und stank erbärmlich als er sich als „Tnarrrr von Gor“ dem Einwohneramt von Farnheim meldete.
Man konnte ihn schwer verstehen, als wäre er aus einer anderen Kultur, trotzdem er wie es den Anschein hatte, in Farnheim aufgewachsen war. Viele Details erzählte er, von über sechzig Jahren, die er als sein Alter angab. Doch so alt sah er nicht aus. Er schien noch sehr jung zu sein.

Und noch rätselhafter war es, woher er die Besitzerurkunde von einer verfallenen Hütte im Wald hatte.
Geerbt, so sagte er. Sein Großvater wäre ausgewandert und sei vor kurzem gestorben.
Man glaubte ihn und gab ihm einen Ausweis, als Staatsbürger, als stolzer Einwohner von Farnheim.
Anfangs fürchteten noch einige Einwohner, Tnarrrr wäre ein Betrüger und wolle Sozialleistung erschleichen, ein Argument, dass sich schnell entkräftete, als er eine Stelle als Lagermitarbeiter annahm.
Seine Kollegen wussten von ihm nur Gutes zu berichten, dass er Kraft hatte wie ein Tier und mit Muskelkraft alleine ganze Paletten schleppen konnte.

So vergingen die Jahre. Mittlerweile war die Hütte renoviert und gepflegt und der seltsame Mann hatte sich sehr viele Wölfe angeschafft. Man konnte kaum einen Schritt in seinen Garten wagen, ohne freudig beschnüffelt zu werden.
„Ob das gut geht?“, fragten sich einige Einwohner besorgt. Doch das Tierschutzamt konnte nur vorbildliche Haltung attestieren. Selbst der Kot seiner Wölfe lag nirgendwo herum, nicht einmal auf den Waldwegen.
Doch noch immer schien eine Mauer zwischen Tnarrrr, dem „Wolfsmann“, und den Bürgern zu liegen. Nur selten traute sich jemand zu seiner Hütte, was meist der Postbote war.
Und der Postbote erzählte von befremdlichen Dingen: von einer Freundin, von magischen Runen und von befremdlichen Geschichten über die Hölle.
Die Priester war sofort Ohr, wollte schon Alarm schlagen, als sie bemerken musste, dass Tnarrrr überhaupt nicht aktiv in Erscheinung trat. Jede Mühe wäre vergebens, höchstens schädlich.
Abenteuerliebende Jugendliche könnten elektrisiert von Warnpredigten vom rechten Weg abweichen und den Sünder besuchen kommen, geschweige denn, der Ärger der Atheisten. Einfach nur totschweigen, die seltsame Erscheinung.

Und so vergingen weitere 20 Jahre. Tnarrrr arbeitete noch immer als Lagerarbeiter, hatte nicht einmal nach einer Gehaltserhöhung gefragt.
Er war körperlich jung wie vor Jahren, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, die schon vor Jahren in Rente gingen oder als Greise Brotkrumen dazuverdienten.
Auf seine Rentenansprüche hatte er sogar gänzlich verzichtet.
Doch wie die Zeit verging, so verging auch die Toleranz. Die Tierschutzbehörden waren misstrauisch geworden, nachdem sie Jäger-Gerüchte hörten, die Wölfe seien, wie der Wolfsmann, jung geblieben und dann von einem ehemaligen Pfarrer über die Satanismusgerüchte unterrichtet wurden.

Sie kamen nachts, um Tnarrrr auf frischer Tat zu ertappen, schlichen sich heimlich in seinen Garten. Und tatsächlich, es flackerten Kerzen im Inneren der Hütte, während eine seltsame Sprache gesprochen wurde. Dann erblickten die Tierschutzmitarbeiter eine seltsame Rune an der Gartenpforte. Die Gerüchte schienen wahr zu sein.
Sie riefen die Polizei zur Verstärkung und klopften heftig. Plötzlich Stille im Inneren. Ein Trappen, Rennen. Die Polizei rammte die Tür auf und erstarrte vor Unglauben:
zwar hingen überall Kerzen, aber die Hütte war kein Satanistentempel, nur eine normale Wohnung mit vielen Wölfen. Doch Tnarrrr fehlte.
„Moment.“, rief seine Stimme vom Bad her, „Ich komme…“
Die Polizisten wollten nicht warten und rammten die Tür ein, wo sie einen nackter Tnarrrr und eine Wölfin vorfanden.
„Sodomie also.“, staunten die Tierschutzmitarbeiter. Man zerrte Tnarrrr hervor, der daraufhin die Eindringlinge wütend zur Tür zu Schleifen begann.
„Eindringen und mich der Sodomie zu beschuldigen, das ist die Höhe! Komm Farna!“, rief Tnarrrr empört. Etwas tapste, aus dem Bad kam auf einmal eine wunderschöne Frau.
„Seht ihr!“, schnauzte Tnarrrr die Tierschutzmitarbeiter an, „Ihr könnt einfach nicht richtig sehen. Und nun verschwindet!“
„Das wäre zu schön! Beweisen Sie, dass Sie und Ihre Freundin keine Sodomisten sind. Mitkommen! Ab ins Gefängnis!“, antworteten die Polizisten kaltherzig und legten die Handschellen um die Arme des Paares.
„Und was machen wir mit den Wölfen?“, fragte ein Tierschutzmitarbeiter.
„Einschläfern!“, bellte ein Polizist.
„Und die Hütte?“, ein weiterer Mitarbeiter
„Der Kirche schenken. Sie wird sie für gemeinnützige Zwecke nutzen.“
„Wisst ihr warum es den Ort erst seit 200 Jahren gibt?“, knurrte Tnarrrr kochend vor Wut.
„Nein, aber das interessiert uns auch herzlich wenig.“, fauchte der Polizeihauptmann, drehte sich zu den Tierschutzamtmitarbeitern:
„Und ihr passt auf die Wölfe auf.“

„Es gab einen Krieg. Alle Menschen wurden vernichtet.“, diese Worte spukten in dem Ohr des ehemaligen Postboten. Warum hatte er nur soviel geredet? Schnell packte er seine letzten Habseligkeiten in den Umzugswagen ein und fuhr los. Nur schnell weg. Weg von seiner Heimat. Seine Familie war schon gerettet, sicher in einer Nebenstadt mit mehr als nur 200 Jahren Geschichte. Der Mond ging auf, eine rote Schönheit, die von hunderten Wölfen begrüßt wurde. Wunderschön, aber… nun ja, der Krieg hatte begonnen. Seine alten Knie begannen zu Schlottern.
Er mochte den Wolfsmann. Warum hatte er sich nie wieder zu ihm hingetraut? Ein kleiner Abstecher konnte ja nicht schaden. Und so bog er zum Gefängnis ab…

Frieden lag über den Wald. Nur das Rascheln von Tieren durchbrach die Stille. Es war zu friedlich, keine Menschenseele, obwohl es ein Sonntagmorgen war.
Leise und freundlich läuteten die Kirchglocken, automatisch angesteuert. Die Gläubigen kamen aus ihren Häusern und waren die Ersten, die das Massaker betrachten konnten. Polizisten, Hundebesitzer, die verschwundenen Tierschutzamtmitarbeiter, Kinder, ihre Kinder, ihre Kinder, die sie auf den neuen Kirchcampingplatz geschickt hatten.
Ein arg zerfleischtes Kind lebte sogar noch, atmete und wiederholte: „Die Wölfe!“
Doch die Straßen boten nicht nur den Anblick zerfetzter Leichen, sondern auch der sauber zusammengefalteter Kleidung von Bettlern, Nachtspaziergängern, Dieben und anderen finsteren Gesindel als hätten Aliens diese entführt.
Das überlebende Kind winselte, als es die leere Kleidung sah: „In die Nacht verschwunden, zu Wolf geworden.“
Mehr brauchten die Gläubigen nicht wissen.
Die Grenzen waren klar abgesteckt, Schuldige und Kollaborateure gegen den rechten Glauben, sie. Das bedeutete Krieg!

„Bitte habt Erbarmen mit meiner Freundin. Sie ist schwanger!“, flehte Knarrrr vor Gericht, doch der Richter war steinern vor Trauer. In seiner Hand lag das Foto seines toten Sohnes.
„So.“, höhnte er, „So viel Erbarmen hattet ihr mit unseren Kindern. Mein Sohn…“, er warf verächtlich ein Fleischstück auf Tnarrrr, das dieser fing und behaglich zu essen begann.
Stille.
„Mein Sohn… sie fressen meinen Sohn…“, der Richter wurde bleich, bevor er sich fing.
„Schafft das Monster weg! Lebenslang Einzelhaft und getrennt von seiner Freundin. Und sie…, sie soll ins Männergefängnis, Gruppenhaft. Sie soll erfahren, wie sich Sodomie anfühlt, bei der sie beigeholfen hat.“
„Ich plädiere auf befangen.“, zitterte der Verteidiger. Das Dorf lachte, bis auf einen Postboten am Rande der Versammlung. Er wiederholte nur die Worte, die sich ewig in seinen Kopf wiederholten: „Das gibt Krieg.“
In seiner Hand Tnarrrrs Abschiedsgeschenk: das Zeichen des Wolfes.

Es wunderte keinen der verbliebenen Einwohner, dass alle die nur irgendwie zu den näheren Bekannten des Wolfsmannes gezählt hatten, wegzogen waren. Und wenn auch nur um ein Dorf. Stattdessen rüsteten die Bürger die Jäger auf, es galt: ein guter Bürger zahlt die Wolfsjagd.
Besonders die Kirche zweckentfremdete ihre Kollekten für Waffen.
Und dann kam der Tag.
Hunderte von Jägern, marschierten am Morgen vollgerüstet in den Wald…
…um am Abend, nicht zurückzukehren.
Die Handys der Jäger: tot. Verängstigt sahen die verbliebenen Einwohner den neuen Blutmond aufgehen. Plötzlich verkündeten die Nachrichtensender, dass alle zuhause bleiben sollten, denn es gab ein Massenbruch im Gefängnis nach der Geburt eines Babys. Und als in der Stadt, ein Wolfsheulen aus tausenden Kehlen ausbrach, da wussten sie: es war um sie geschehen.

Feine Asche der Zivilisation rieselte ins feuchte Moos. Nichts deutete mehr auf Dorf oder Kleinstadt hin. Außer ein paar Einträge im Telefonbuch und Erinnerungen der Verbliebenen. Und die Regierung? Als sie sah, dass nichts außer Leichenstücke und Staub übrig war, ließ sie lieber ab weiter nachzuforschen. Denn was kam schlechter im Wahlkampf, als wenn öffentlich wurde, dass die eigenen Leute durch einen sinnlosen Krieg mit einer übermächtigen Macht, eine ganze Kleinstadt ausradiert hatten.

Angenehme Reise


Lasst mich von meiner Reise mit der Eisenbahn erzählen. Unglaublich, was mir dort widerfahren ist. Zunächst musste der Zug auf offener Strecke halten, eine Schafherde lief über die Gleise. Nach ungefähr einer halben Stunden waren die Schafe eingefangen, die Strecke kontrolliert und der Zug konnte weiterfahren. Dementsprechend war die Stimmung. An der nächsten Haltestelle setzten sich eine lauthals auf die Eisenbahn schimpfende Frau mit ihren dreijährigen, quengelnden Kind, ein glatzköpfiger, tätowierter junger, aber blasser Mann und ein alter Mann in mein Abteil. Mir war von Anfang an der Glatzkopf sympathisch; er strahlte eine deprimierte Ruhe aus.
Sekunden nach der höflichen Begrüßung ging der Terror los. Die Frau nahm ihre Zeitung heraus, während ihr Sohn mit seiner lärmenden Spielkonsole daddelte. Sie las einige Zeilen, bevor sie lauthals schimpfte:
„Dieses Islamistenpack, warum wirft man sie nicht alle raus? Muslim, Islamist ist alles das Gleiche.“
Der alte Mann nickte mit den Kopf, ich überlegte mir etwas zu sagen, hatte aber zuviel Angst vor dem Glatzkopf. Zu meinem Überraschen, hob der Glatzkopf seinen Kopf und antwortete mit einem starken polnischen Akzent:
„Mit der Sicherheit wird hier eindeutig übertrieben. Stattdessen solltet ihr euch um eure Kinder kümmern. Motiviert sie zur Schule, lasst sie nicht in die Gosse abgleiten!“
Eine Sekunde war Stille abgesehen von der Musik der Spielkonsole im Hintergrund. Ein triumphierende Geräuschfolge erklang aus dem Spielgerät. Das Kind war ein Level weiter, die Mutter auch mit ihren Gedanken
„Von Ihnen Mister Superschlau lasse ich mir keine Erziehungstipps geben!“, fuhr sie den Glatzkopf wie eine Furie an.
„Es war nicht böse gemeint. Meine Kindheit, ich war wie Ihr Sohn, so unschuldig.“, stammelte der Glatzkopf sichtlich erschrocken. Die Hand des alten Mannes klatschte auf die Glatze des Glatzkopfes, während er sich empörte:
„Unverschämtheit! Ein Nazi schiebt alles auf eine böse Kindheit! Das ist ja die schönste Ausrede für die ganzen Vergasungen.“
„Ich bin kein Nazi!“, der junge Mann stand wütend auf, er war ein Hüne, „Seit Jahren hackt man nur auf mir herum! Ich kann Klavier und Geige spielen, dichten, singen, aber man sieht immer nur mein Äußeres. Außerdem bin ich Pole!“
„Polen haben den Nazis beim Judenvergasen geholfen.“, murmelte der alte Mann und fuhr auf. Dabei stieß er dem Jungen die Spielkonsole aus der Hand. Sie rutschte zu mir. Ich hob sie auf, damit sie nicht unter den Füßen der Wütenden zertrampelt würde.
„Scheiß Autodiebe!“, krakeelte die Frau, „Geh zurück wo du hingehörst: ins Gefängnis.“
Dem jungen Mann kamen die Tränen. Das kleine Kind sprang plötzlich auf meinen Schoß, um den Glatzkopf auf die Glatze zu schlagen.
Es sprang unerlässlich, um die Glatze zu erreichen und rief „Glatzen klatschen! Glatzen klatschen!“ dabei. Es tat mir zweimal weh. Einmal wenn die spitzen Stiefelchen sich nach einem Sprung in meine Beine bohrten, ein anderes Mal wie mit dem Ausländer umgegangen wurde. Mir reichte es und ungehalten, wie ich war, fuhr ich hoch.
„Das ist also deutsche Gastfreundschaft? Pfui über euch alle und erzieht eure Kinder, bitte richtig!“
Ich war giftig, richtig giftig. Es war ein Triumph meiner Vernunft die Spielkonsole auf ein Tischchen abzulegen anstatt sie fallen zu lassen, bevor ich nach meiner Tasche griff.
„Haben Sie Gepäck?“, fragte ich den Polen. Dieser schüttelte den Kopf. Hatte der Pole überhaupt eine Fahrkarte? Ich spürte plötzlich meine Hand eine Fahrkarte entwenden, ein schön-rächend und unschön-was-wenn-erwischt-werden Gefühl. Aber das wurde ich nicht, es erschallte ein Weinen. Als ich aufgestanden war, war das Kind mit dem Kopf gegen die Mülltonne geknallt und war kurze Zeit mit einer Platzwunde bewusstlos gewesen.
„Du Bestie…“, wir verließen schnell das Abteil. Ich wählte eines am anderen Ende des Zuges. Mir fiel auf, dass die Gesichtszüge des Polen langsam versteinerten. Als wir uns setzten, hatte ich das Gefühl einen Massenmörder gegenüber zu sitzen.
„Danke“, murmelte der Glatzkopf, „Ich bin Tomek. Sieben Jahre, sieben Jahre und sie höhnen immer noch. Wann werden die Geister endlich Ruhe geben?“
„Welche Geister?“, fragte ich erschrocken.
„Geister ist der falsche Ausdruck. Die Gesellschaft. Ich bezeichne sie gerne als Geister, weil sie überall ist. Die sieben Jahre. Ich saß wegen Mord.“, Tomek wurde apathisch, „Ich will mich bessern, ich will mich bessern! Hoffentlich hat meine Schwester Verständnis.“
„Warum haben…“
„Du“, fuhr mir der Pole dazwischen, „Ich bin es nicht wert gesiezt zu werden.“
„Ok, warum hast du gemordet?“
„Mein Herz wurde kalt von Demütigung. Du musst wissen, ich bin in einen Ghetto geboren, als Sohn einer geizigen Karrierefrau. Sie war so herzlos in der trostlosesten Gegend zu wohnen, um Geld zu sparen und dann war sie nie für uns da. Die Gang wurde mein zweites Heim. Dann mit sechs ging ich in die Grundschule, ja ich ging dorthin und hatte schlechte Noten. Schließlich saugte die Gang an meinen Kräften. Ich fühlte mich schwach und verhöhnt bis zu jenen Tag. Die Gang hatte mir Drogen verabreicht, Alkohol. Ja, es war der Tag an dem ich das Morden und Lügen kennenlernte. Sie waren vier zu eins, die Flasche an meinen Mund. Nach wenigen Zügen fühlte ich die Befreiung. Ich zerschlug die Flasche und tötete sie alle mit den Scherben . Keine Zeugen, kein Ärger und ein Gefühl der Zufriedenheit. Meiner Gang erzählte ich, dass es eine gegnerische Gang gewesen sei und dann konnte das Spiel beginnen. Meine Gang merkte schnell wie ich zum Töten stand. Es war meine Droge, sie puschte mich und meine Noten. Bald ging ich aufs Gymnasium, war angesehen und verrufen zugleich. Dann letzte Klasse, kurz vor dem Abitur, verriet mich meine Gang, ich sollte untergehen und werden wie sie.“, der Pole schlug die Faust in seine Hand, „Das haben sie nicht geschafft. Und so soll es bleiben. Kein Mord mehr! Nie wieder!“
Der Pole hatte mein Mitleid erregt.
„Wie viel Geld hast du?“, fragte ich. Er zeigte mir einen Zehner.
„Gut dann lege ich hundert drauf.“
Es waren zwei Scheine, hoffentlich eine gute Investition in der Kittung dessen Lebens. Er sollte kein Misanthrop werden.
Mit Tränen in den Augen nahm er das Geld an, dann saßen wir schweigend gegenüber. Der Schaffner kontrollierte uns nach einer Weile. Zu meiner Überraschung zog Tomek eine eigene Fahrkarte, anstatt die ihm heimlich Zugeschobene zu benutzen. Kaum war der Schaffner verschwunden, zwinkerte er mir zu und lächelte verschmitzt:
„Lektion Nummer 1 eines Meistermörders: Nie auffallen. Ich habe extra von dem wenigen Geld aus dem Kerker mir eine Fahrkarte gekauft.“
„Und Lektion 2?“, ich war gespannt.
„Schärfe deine Emotionen wie ein Messer. Sei nicht emotional, aber habe Spaß. Projektiere deinen ärgsten Feind in dein Opfer.“
Wir unterhielten uns anschließend über die tausenden Möglichkeiten einen Menschen umzubringen, ich weiß, etwas suboptimal für einen Mörder auf Abstinenz, aber ich war zu neugierig.
Stunden vergingen. Zufälligerweise mussten wir an der gleichen Haltestelle raus und es war nur noch eine Station hin bis wir ankommen würden, als wir plötzlich in einem Bauernkaff hielten. Schwere Schritte erklangen, unser Abteil schwang auf. In der Tür standen Polizisten.
„Was ist los?“, fragte der Pole mit Engelszunge.
„Sie haben eine Frau belästigt, sowohl sexuell als auch mit Naziideologie. Raus!“, brüllte einer der Polizisten. Ich wollte mich aufregen über die Lüge, aber der Glatzkopf bedeutete mir still zu sein.
„Ich bin Pole und leicht verstimmt über den Umgang von Deutschen mit Fremden.“
Daraufhin schlugen die Polizisten zu, Tomek wich gekonnt aus und floh aus dem Zug.
Er telefonierte gestern mit mir und berichtete mir, dass auch seine Schwester ihn verstoßen hat.
Ich werde ihn demnächst aufnehmen.

Ende

Fiktion, nicht Realität.
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Wie sie Kinderseelen zerfetzen


An einen schönen Herbstabend stand die Polizei vor der Tür. Man führte seinen Vater ab und nahm ihn fest im Arm und sagte: „Du armes Kind, wurdest von deinen Vater vergewaltigt.“
Der vierzehnjährige Junge namens Valentin war verwirrt. Sein Vater hatte ihn niemals unanständig angefasst.
„Was?“
„Komm mit! Jetzt bist du in Sicherheit.“, die Pflegerinnen nahmen ihn bei den Armen und zogen ihn an seiner weinenden Mutter vorbei in einen Lieferwagen.
Der Junge begann zu weinen.
„Ist schon gut.“, trösteten die Frauen.

Man brachte ihn in ein Waisenhaus über dem ganz groß: „NewDawn“ stand.
„Hier bist du sicher und denke an deine Kurse zur Angstbewältigung.“, verabschiedeten sich die Frauen.
Die ganze Umgebung machte Valentin Angst; er wollte zurück.
„Ich will nach Hause. Es ist alles eine Lüge.“, schrie er die Pflegerinnen an.
„Typisches Stresssymptom. Ich hoffe du wirst dich einleben.“
Ende, die Pflegerinnen verschwanden. Er alleine unter narkotisiert wirkenden Jugendlichen. Ihr Gleichschritt machte ihm Angst. Er wollte Freiheit, drehte um und rannte Richtung Straße. Sofort packten ihn Hände und zerrten ihn in das Gebäude.
„Du wirst dich anpassen.“, zischte eine männliche Stimme. Sie zog ihn weiter in eine Abstellkammer und vergewaltigte ihn dort. Es war der Direktor, er konnte nichts gegen ihn unternehmen und musste es über sich ergehen lassen.
Dann wurde er, aus dem After blutend, in ein Schlafsaal gezogen, musste sich ausziehen und einen blau-grau gestreiften Einheitsschlafanzug anziehen.
Alles schauten auf ihn, und er auf sie.
„Willkommen in der Hölle. Mein Name ist Franz.“, meinte ein kleiner Jugendlicher mit Brille auf seinen rundlichen Gesicht.
„Das werden wir noch sehen!“, knurrte Valentin, wie ein verletztes Tier.

Peitschenschläge erklangen auf seinen nackten Rücken. Er hatte nach seiner Mutter gefragt.
„Tut mir leid wir müssen dich entwöhnen. Du musst deine schreckliche Vergangenheit hinter dir lassen.“, hatte der Direktor geantwortet und die Peitsche herausgeholt.
Und da zerbrach was in seiner Seele. War er höflich und freundlich gewesen, so erfüllte ihn nun ein Schwelbrand aus Hass und Angst. Man schickte ihn nach seiner Züchtigung in ein Verdrängungsseminar. Die Mädchen und Jungen weinten, als ihnen schonungslos ausgemalt wurde, wie ihre Väter sie vergewaltigt hatten. Alle mussten sie an den pädophilen Direktor denken.
Betäubt und weinend taumelte Valentin heraus. Er konnte nicht mehr sagen, ob sein Vater ihn angerührt hatte. Doch schon schleifte ihn sofort in ein Verhörzimmer, wo mehrere Polizisten ihn zu seinen Vater befragten. Und nicht nur das: er sollte seine Hose ausziehen. Er weigerte sich, es setzte eine Ohrfeige. Man entnahm ihm triumphierend Sperma aus den After.
„Das stammt vom Direktor!“, schrie Valentin auf, riss sein Hemd von der Brust, „Und die Striemen von der Peitsche des Direktors.“
Die Polizisten liefen wutrot an: „Dr. Fratzen ist ein ehrenwerter Mann. Wie kommt es sonst, dass keiner seiner Zögling straffällig geworden ist?“
Der pädophile Direktor blieb ruhig: „Nur die Ruhe, meine Herren. Ich werde ihn zurechtbiegen. Er wird braver Bürger.“
Und so bog man an ihn.
Vormittags musste an einen christlich orientierten Schulunterricht teilnehmen. So wurde statt Darwin eine skurrile Schöpfungstheorie durch Gott gelehrt. Schlimmer war der Nachmittag mit seinen Religionsunterricht und den Verdrängungskurs.
Der Religionsunterricht war, wie der Verdrängungskurs, reinste Gehirnwäsche einer fanatisch-esoterischen aber christlichen Sekte.
Nach anfänglichen Widerstand, ging er in die innere Emigration. Er schrieb grausame Gedichte, biss sich absichtlich auf die Zunge und ging kaum einer Schlägerei aus dem Weg, auch wenn er dabei mit vielen Schrammen versehrt herauskam. Im Laufe von Wochen wurden es immer weniger, da er immer besser im Kämpfen wurde.
Eines Tages hörte er den Jugendlichen namens Franz ausrasten: „Ich halt es hier nicht mehr aus. Mobbing und ich will wieder einen Computer sehen.“
Franz kletterte stöhnend über den Maschenzaun, die Kinder schauten ihn gespannt zu. Valentin spürte einen sanften Stöhner auf seiner Wange. Er schaute sich um. Es war ein Mädchen, um die fünfzehn. Und sie sahen sich in ihre leidenden jugendlichen Augen. Es war Liebe auf den ersten Blick, doch Valentin war vorsichtig und schaute weiter auf den fliehenden Jugendlichen. Ein paar Wachen sprangen hervor, der Jugendliche schlängelte sich hindurch. Plötzlich schubste ihn eine der Wachen auf die Straße. Er fiel schreiend, Autos zermatschten den klugen Kopf, verteilten die glibbrige Masse Wissen auf alle Häscher. Das Mädchen packte seine Hand und flüsterte: „Mein Name ist Mina. Lass uns gehen.“
Zunächst war es nur eine geistige Liebe, nach einiger Zeit kuschelten sie versteckt in einen der tausenden Anstaltsräume. Praktisch war Valentins Beschaffungsmethode. Selbst Pfleger rückten Kondome raus, wenn er mit der Faust drohte.
Die anderen Jugendlichen hingegen freute es, dass sie sich nun ungestört sich prügeln konnten und unterstützten die Beziehung der Beiden nach Kräften, schließlich wollte keiner unter Valentins Faust kommen.
Schließlich stand Halloween vor der Tür, die Jugendlichen durften sich Kostüme aussuchen, wobei Valentin und Mina Vorrang hatten. Sie gingen als Vampirpaar, weil Valentin beim lernen zufällig auf Vlad Dracula gestoßen war. Er vergötterte ihn fast und spielte seine Rolle gut. Hingegen Mina schlotterte in ihren knapp bemessenen Vampiraufzug.
„Und nun geht heraus und habt Spaß. Holt euch viele Süßigkeiten.“, befahl der Direktor.
Es war das erste Mal das Valentin die Waisenanstalt verließ. Wie leicht hätte er mit seiner Freundin fliehen können, doch unsichtbare Ketten hielten sie alle fest.

Ein Jahr später kamen Tests, wo Valentin kläglich versagte. Hatte er Jahre zuvor nur die besten Noten gehabt, so war alles verflogen.
„Weniger kuscheln, mehr arbeiten.“, riet die Lehrerin unter Getuschel der anderen Schüler. Er fühlte sich schwach und versagte bei Schlägereien, etwas was ihm lange nicht passiert war. Seine Freundin wurde sich von einen anderen Schüler geschnappt, ohne dass sie Einwände einlegen konnte, denn der Direktor stand drohend mit einer Peitsche in der Hand hinter ihnen.
Trübe Gedanken tobten in seinen Kopf, seine Leistungen wurden schlechter und schlechter, er schleppte sich durch die Schule. Zu seinem Geburtstag bekam er einen geöffneten Geburtstagbrief seiner Mutter; in ihm: eine Karte.
„Alles gute zum Geburtstag. Ich hoffe, es geht dir gut. Hier etwas Geld. Hast du meine Briefe bekommen?“, in den Briefkuvert war kein Geld, geschweige denn hatte er Briefe bekommen. Wie Vlad III hatte man ihn entführt, aber warum? Das hatte nichts mehr mit Vergewaltigung zu tun, das war… Valentin fehlten die Worte.
Aus Trauer wurde Wut, der Schwelbrand entzündete seine Seele: er musste töten. Leise, unauffällig, hinterhältig; am besten würde ein anderer Schuld bekommen. Mit einen gemeinen Lächeln schritt er zu Tat. Er beobachtete die anderen sorgfältiger als je zuvor. Sehr sorgfältig, so entdeckte er ein Mädchen, das ein Messer besaß, ein perfekter Täter. Nun die Opfer. Ein Mädchen, eine Freundin von dem „Täter“, am liebsten hätte er auch Peiniger von Mina auf seiner Mordliste aufgenommen, doch das wäre zu offensichtlich, aber wie stand es mit ein paar Pflegern?
In der Nacht schlich er auf leisen Sohlen zum Mädchenschlafsaal. Niemand hörte ihn, niemand sah ihn durch die schlafenden Reihen tasten. Dann sah er das Zielobjekt. Sein Herz schlug schneller, er griff zu. Niemand rührte sich, lautlos zog er das Messer und tastete sich an das Bett seines ersten Opfers. Es schlief unruhig, wälzte sich. Kein gutes Ziel, doch auf einmal hielt es inne, als es auf den Rücken lag. Perfekt. Langsam hob er die Bettdecke über die Brust des Opfers hoch. Er konnte die Brüste durch das dünne Schlafhemd durchdrücken sehen, ein Anfall von Bedauern, dann stach er zu.
Noch weitere fünf Opfer, zwei Jungen, zwei Pfleger, eine Pflegerin und schon war er wieder bei dem Mädchen, welches er zum Täter machen würde.
Leise flüsterte er im Tonfall, wie er es vom Verdrängungsseminar gewohnt war: „Du hast fünf Menschen umgebracht. Du hast fünf Menschen umgebracht, verstehst du?“, das Mädchen nickte, „Nimm das Messer.“, das Mädchen nahm das Messer, „Und nun gehe zur Dusche. Du wirst dich versuchen reinzuwaschen.“
Das Mädchen stand wie ein Zombie auf und folgte seinen Befehlen. Er verschwand hingegen mit einen dämonischen Lächeln im Gesicht. Dracula würde stolz auf ihn sein.

Es geschahen auf ähnliche Weise noch weitere zwanzig Morde, dann musste Valentin eine Abstinenzpause einlegen. Es wäre zu auffällig, denn die Polizei ermittelte mit Hochdruck, suchte nach dem missing-link bei den Morde. Auch bedauerte er, nur mittelmäßige Noten schreiben zu dürfen. Seine Intellekt war mit seiner Selbstbestätigung von den Morde zurückgekehrt, wenn nicht sogar über das vorherige Maß geschärft worden, doch er durfte nicht auffallen. Jeder absichtliche Fehler schmerzte und würde später mit Blut gerächt werden.
Eines Tages bemerkte er einige Anwälte, die mit den Wachposten vor dem Waisenhaus stritten. Erstaunt ging er zu ihnen heraus und fragte, was los sei.
„Sind Sie Valentin Kut?“, fragten die Anwälte ihn.
„Ja.“
„Gut, dass wir Sie treffen. Ihr Vater hat Selbstmord verübt. In seinem Abschiedsbrief steht, dass wir Ihnen eine Botschaft ausrichten sollen.“
„Und die wäre?“
„Ich war es nicht.“
Tränen rollten Valentin aus den Augen. Hände wurden auf seine Schultern gelegt
„Wann hätten Sie Zeit für die Beerdigung und die Vollstreckung des Testaments?“, fragte ihn einer der Anwälte.
„In zwei Jahren. Er ist noch nicht soweit mit seiner Mutter in Kontakt zu treten. Er hat noch immer posttraumatische Störungen.“, der Direktor war angeeilt gekommen. Valentin und er sahen sich tief in die Augen. Feindschaft blitzte, Mordlust stand ihnen beiden in den Augen.
„Jetzt.“, antwortete Valentin, sein Blick durchbohrte den Direktor, „Ich komme wieder, Doktor Fratzen.“
„Dann wird Mina, aber traurig sein.“
Valentin musste lächeln. Der Direktor hatte ihn unterschätzt, behandelte ihn noch wie ein kleines Kind. Hatte Dr. Fratzen seine Verwandlung nicht mitbekommen?
„Sie wird mir schon verzeihen.“
„Das glaube ich kaum.“, konterte Dr. Fratzen. Mochte sein, dass Mina was zustoßen würde, aber er brauchte erst Distanz für eine fundierte Entscheidung, so wandte er sich an seine Anwälte:
„Kann es losgehen? Ich habe seit Jahren nur dieses Waisenhaus gesehen.“
Diese nickten, er stieg in das Auto, sie hörten noch ein: „Das wirst du bereuen!“, dann schlug die Wagentür zu und das Auto setzte sich in Bewegung.
„Seltsamer Kauz, dieser Dr. Fratzen.“, wunderte sich einer der Anwälte. Valentin war sich unsicher, ob es erlaubt war frei zu reden. War er denn in Sicherheit oder war es nur ein Trick?
„Dr. Fratzen hat seinen Titel nicht verdient.“, stocherte Valentin vorsichtig. Erstaunt fragten die Anwälte nach: „Warum?“
Die Anwälte schienen in Ordnung zu sein.
„Gehirnwäsche gegen wehrlose Waisenkinder. Ist das nicht genug?“
Sofort zog der nichtfahrende Anwalt einen Block.
„Erzählen Sie weiter. Wir vertreten Ihre Mutter im Prozess gegen das Waisenheim. Sie sagt, sie hätte keinen Kontakt mehr zu Ihnen gehabt. Stimmt das?“
„Ja. Briefe werden systematisch abgefangen und durchsucht. Außerdem lässt die Gehirnwäsche die Vergangenheit verblassen und unwichtig erscheinen. So weiß ich nicht einmal den Namen meiner Mutter.“
„Steht der Direktor in Zusammenhang mit den zwanzig Morden?“
Valentin erblasste: „Nur indirekt. Sie sind ein Ausdruck von Widerstand der Insassen. Mein vollstes Verständnis, wenn Kinder in dieser Hölle ausrasten.
Vielleicht hilft das: der Unfall vom dicklichen Jugendlichen Franz. Die Wachen vom Waisenhaus schubsten ihn auf die Straße, nachdem sie erfolglos versucht hatten ihn zu fangen.“
Der Anwalt schrieb nieder, schaute auf, fragte:
„Warum?“
„Es gibt so viel zu verbergen in dem Waisenhaus. Esoterischer Unterricht, Pädophilie des Direktors, Fälschung von Beweisen. Apropos hat man das Sperma, das man bei mir fand, auf seinen Ursprung überprüft? Es stammt vom Direktor.“
„Nein. Aber wir werden das sofort angehen.“, der Anwalt zückte ein Mobiltelefon, telefonierte kurz, bekam einen ungläubigen Gesichtsausdruck, legte auf, schüttelte den Kopf:
„Ich fasse es nicht. Die Beweise wurden vernichtet. Es scheint einen tiefen Sumpf zu geben.“
„Die zerbrochenen Kinderseelen folgen widerstandslos Autoritäten, daran liegt es. Das Gleiche in Afrika mit den Kindersoldaten.“

Seine Mutter weinte, seine Großeltern weinten, Valentin weinte im Kreise seiner Liebsten. Kaum war er wieder zu Hause, erzählte er seine Geschichte, verschwieg aber seine Morde. Dann, als alle schon zu Taschentüchern gegriffen hatten, packte er den Hammer aus: „Ich glaube mein Vater hat sich nie an mir vergangen. Wer könnte ihn so etwas antun wollen?“
Stille, Todesstille.
„Was hat er verbrochen, außer zu leben?“
Stille. Seine Mutter packte zitternd eine Zigarette aus. Valentin sah, dass die ganze Wohnung Spuren exzessiven Rauchens trug. Früher war seine Mutter strikte Nichtraucherin gewesen, was nur Grausamkeit aus Menschen machte… Sie zündete ein Streichholz zischend an, hielt es an ihre Zigarette. Wie ein Höllenfeuer, das Leben vernichten wollte, griff die Flamme gierig nach den Papier und verschlang es, langsam und genüsslich.
Plötzlich krähte ein Rabe. Stille. War es seine Schuld, die ihn zur Verantwortung ziehen wollte? War es Dracula, der ihn entführen sollte? Valentin zitterte. Wieder krächzte der Rabe, ohrenbetäubend laut. Es klingelte an der Haustür.
Valentin öffnete die Tür; es war Mina. Sie war bleich und blutig an tausenden Stellen ihres schönen Körpers.
„Was ist passiert?“, fragte Valentin entsetzt.
„Ich sollte Selbstmord begehen.“, ihr Blick glich dem eines Raubtieres, „Ich sollte glauben, du seist tot. Idiot!“, dann brach sie in seine Arme zusammen und schluchzte: „Ich habe sie alle umgebracht, alle, Mädchen, Jungen, Pfleger inklusive natürlich Dr. Fratzen, den Teufel.“, auf ihren Mund zauberte sich ein verrücktes Lächeln, „Alle aufgespießt auf Pfählen.“
Valentin schaute sie tief an. Während sie ihre Freudenstränen für Entsetzen über ihre wahre Natur verschwendete, legte er sanft seinen Arm um sie und flüsterte:
„Es ist vorbei. Es ist vollbracht.“

Nie würde der Massenmord aufgeklärt werden, nie Mina verhaftet, zu tief waren die Polizisten selbst in der Sache verwickelt. Ein Feuer in der Asservatenkammer begnadigte Mina, sowie viele Polizisten. Die Mütter der ermordeten Kinder waren zwar weniger erquickt über dieses Ereignis, aber hatten sich zu sehr von ihren Kindern entfremdet, als dass sie eine Neuaufrollung des Falls beantragen würden.
Mina und Valentin verbrachten ihre letzten Jahre als Jugendliche unter der fürsorglichen Hand von Valentins Mutter, wo sie zu einem stattlichen Paar heranwuchsen, das, kaum waren sie beide volljährig, eine pompöse Hochzeit feierte.

Ende

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Der Hexenmeister


Es war einmal ein Schriftsteller, der berühmt für seine Werke und berüchtigt für seine Belesenheit war. Bücher von Goethe, Schiller und vielen anderen Schriftstellern säumten die Wände seines runden Schreibzimmers, in dessen Mitte er seine eigenen Werke an einem mächtigen Eichenschreibtisch verfasste.
Man pries seine Werke, wegen der Gewitztheit und doch der Einfachheit, die es jedem ermöglichte sie zu verstehen.
Aber noch geschätzter war er wegen seiner Sanftheit, mit der er eine einzigartigen Form der Kritik formulieren vermochte, die Demokratien wie Diktaturen, die Arme wie Reiche wie Schaum umschmeichelte, aber zum Guten antrieb. Hunger und Elend wurden so bald zu Gruselgeschichten von Eltern und Großeltern.
Die Zeit verging.
Und mit der Zeit verging der einst so blühende Schriftsteller. Graues Haar statt der goldenen Locken zierten nun den alten Greis.
Er hätte sich zu Ruhe setzen können, umringt von Bewunderern, aber das tat er nicht, er schrieb weiter und weiter, er wollte mehr von seinen Honig schaffen, nach dem die Menschheit lechzte.
Und dementsprechend war der Lob der Nachbarn, der Mitmenschen, seiner Stadt.
Jeder pries ihn bis zu jenem Tage…
Es war ein strahlender Montag einer neuen Woche, als der alte Schriftsteller sinnend die sonnengefluteten Straßen betrat, ein herrlicher Tag.
Doch irgendwas war anders, die Straßen waren leerer. Als wäre ein Feiertag.
Kopfschüttelnd schlenderte er weiter, sich im Kopf eine Einkaufsliste zurechtlegend.

Es schepperte ein Gitter neben ihm runter, schreckte ihn aus den Gedanken.
Der Laden hatte vor seinen Augen geschlossen. Wieso?
Und es war nicht das einzige Geschäft. Überall gingen die Gitter runter, der Platz leerte sich, zur Mittagszeit, nur er blieb zurück. Und von irgendwo vernahm er ängstlich kauernden Menschen.
„Was ist los?“, fragte er erstaunt.
Ein Kind traute sich zitternd hervor und sprach: „Die neue Religion sagt, dass du ein Dämon bist. Du Verführer!“, das Kind spuckte ihm vor die Füße.
Vollständig erschüttert fragte der alte Schriftsteller die versteckte Menschenrunde:
„Ich euch verführen? Wozu? Zum Frieden?“
Schweigen.
Der alte Mann setzte erneut an: „Was habe ich euch getan? Ich habe Frieden geschaffen, eine Welt des Glückes.“
Stille. Mit schnellen Schritte, fast schon ein Rennen, floh der alte Mann nach Hause. Vergessen war der Einkauf, vergessen war die Sanftheit, die sonst ihn leitete. Panik durchflutete sein Herz, als er die Bücher zusammenpackte. Seiten wurden geknickt, Buchdeckel beschädigt, aber es war keine Zeit für Sorgsamkeit. Er schaffte es gegen Abend einen Umzugshelfer, ein großer Fan von ihm, für den morgigen Tag zu organisieren und legte sich ins Bett. Doch der Schlaf wollte nicht kommen, so wälzte er umher. Was wenn das alles nur ein grobes Missverständnis war? Konnte er seine Nachbarn, seine Stadt wirklich so sträflich im Stich lassen? Etwas klopfte. Vielleicht der Wind. Das Klopfen wurde stärker. Verwundert stand er auf und schaute durch das Guckloch. Es war der Umzugshelfer und dieser war schwer verwundet. Der Greis öffnete elektrisiert.
„Danke Meister.“, kicherte der nächtige Besucher mit irrem Blick.
„Was ist passiert?“, die Unruhe im alten Mann wurde größer.
„Folter und Elend stehen unserem Land bevor. Tod und Vernichtung werden folgen. Hol deine Sachen, wir fahren sofort!“, antwortete der Umzugshelfer. Bei jeden Wort blitzten seine zerbrochenen Zähne.
Schnell warfen sie die Koffer mit Büchern in den Umzugswagen. Scheppern erklang wie von einer kaputten Maschine. Der Umzugshelfer sprang in den Wagen. Der alte Schriftsteller wollte folgen, doch etwas hielt ihn an seinem Bein fest. Es war der Junge, der ihm vor die Füße gespuckt hatte. Mit dümmlichen Lächeln verkündete der Junge: „Brenne! Brenne! Brenne!“. Und tatsächlich! Die Nacht schien zu leuchten vor Fackelträgern. Sie hatten sie umzingelt, doch vielleicht wollten sie nur ihn.
„Fahr ohne mich los! Bewahre das Wissen!“, der alte Mann schlug die Beifahrertür zu und trat auf das Kind ein. Es war eine Wut, die seine Engelsseele entzündete. Irgendwann löste sich der Griff, das Kind war tot, aber das „Brenne!“, war nahe, sehr nahe. Der Umzugshelfer war mittlerweile durch den Menschenring gebrochen und hatte einige Verletzte hinterlassen. Doch die Menschen, wenn man diese Fanatiker noch so nennen konnte, ließen sich nicht beirren.
Die Lücke wurde sofort wieder geschlossen. „Rückzug!“, dachte der alte Mann, „Gegen Wahnsinn hat nur List eine Chance.“
Er rannte in sein Haus, öffnete den Gashahn seines Herds, eilte anschließend in den Keller, um sich in ihm zu verbarrikadieren.
Das „Brenne“ war nahe, direkt vor seinem Haus. Kamen sie nicht weiter? Er wollte erleichtert aufatmen, als Glas klirrte. „Hoffentlich nicht das Küchenfenster. Ansonsten entweicht das schöne Gas ungezündet.“, dachte er erschrocken, während die Schritte der Häscher im Haus erklangen. Einer von ihren rüttelte vergeblich an der Klinke der Kellertür.
„Da ist er.“, hörte er den Fanatiker rufen. Plötzlich ließ eine Explosion das Haus erbeben, das Gas hatte gezündet. Stille. Hatte es geklappt? Ein schwacher „Brenne!“, Ruf erklang von Neuem und wurde von einigen weiteren Angreifern erwidert.
Genug war genug. Sein Blick fiel auf seinen alten Baseballschläger. Man hatte ihn ihm zum zwölften Geburtstag geschenkt.
Doch seine wahre Liebe galt der Schriftstellerei und so lag er noch völlig unbenutzt im Keller.
Bis jetzt! Die Hände des Alten griffen ihn fest.
Stille. Plötzliche ein Brummen, ein Auto fuhr vor. Er hörte erregte Stimmen. War es die Polizei? Würde sie den Spuk beenden? Die Kellerfenster klirrten, brachen. Verdammt! Sie wollten rein! Er holte mit seinen Schläger aus, doch nur das monotone Brummen eines Autos im Leerlauf erklang.
Das war es? Auf einmal musste er husten. Die Luft wurde von Abgas verpestet.
„Wir werden das Schwein vergiften! Wir werden das Schwein vergiften!“, hörte der alte Mann Stimmen oben singen. Kriegstrommeln wurden geschlagen und so fühlte sich sein Herz an. Bald schien es vollends in Flammen stehen. Seine Adern wollten bersten.
„Wir werden das Schwein vergiften!“
Seine rechte Hand öffnete die Kellertür, seine Füße stürmten voller Wut die Treppe hoch. Er fühlte den Baseballschläger auf- und niederfahren, er spürte Blut spritzen und als er aufsah:
es waren alles Kinder. Friedlich tot, lagen sie um ihn herum. Wie konnte das sein?
Er sah sich in seiner zerstörten Wohnung um. Nur der Schreibstube war noch intakt,
der Rest in Trümmern.
Trümmer, waren Trümmer nicht perfekt für Kinderspiele? Bevor seine Leidenschaft für die Schreiberei erwachte, war er auch gerne in Ruinen herumgetollt. Schuldbewusst schaute der alte Mann auf seine blutbefleckte Waffe und die Leichen der Kinder daneben. Plötzlich strömten von überall Kinder, versammelten sich um ihn. Sein Unbehagen wuchs.
„Entschuldigung, für das Unentschuldbare. Ich wurde angegriffen. Und…“, Tränen rollten über seine Wange. Er wischte sich mit seiner freien Hand die Tränen aus den Augen. Die Kinder kamen näher, er legte den Schläger nieder.
„So jetzt muss niemand mehr was befürchten, es ist vorbei.“, flüsterte er zitternd.
Da zerrten mehrere Kinder einen Jungen herein.
„Töte sie! Sie sind böse!“, schrie der Junge schwach. Hatten die Kinder die Fanatiker gestoppt und das war das Letzte? Ein verwirrtes Zögern erpackte den Alten, ein Zögern, dass er für immer bereuen würde. Plötzlich wurden ihm von hinten Handschellen angelegt und ein Mädchen trat aus den Reihen der Kinder und prügelte den Jungen mit seinen Baseballschläger zu Tode.
Der alte Mann spürte wie man ihm hinwegzerren wollte, ein letzter Widerstand regte sich noch in ihm, doch als er die Kindergesichter seiner Fänger sah, brach auch dieser.
Es war vorbei! Sie hatten die Kinder, die Zukunft. Die Zukunft war verloren! Und wegen seiner Schwäche hatte man einen Unschuldigen umgebracht, sogar die Waffe hatte er den Mördern geliefert.
Man zerrte ihn in seine Schreibstube. Die leeren Regale wurden ehrfürchtig von Erwachsenen begafft, an seinem Schreibtisch saß ein Mann in schwarzem Umhang.
Unter ihm trug der Fremde ein rotes Hemd, auf dem ein eingerahmtes Kreuz prangte.
„Mach, dass die Bücher erscheinen. Ich möchte wissen was ich verbrenne.“, verkündete der Mann am Schreibtisch.
„Welche Bücher? Die sind schon längst weg.“, verteidigte sich der alte Schriftsteller. Ach, mochten diese Dämonen ihm ein schnelles Ende bereiten.
„Lass sie erscheinen, Hexenmeister! Ich weiß, dass du sie unsichtbar gemacht hast.“
Plötzlich gongte die Standuhr, zwölf mal. Mitternacht.
„Hexerei!“, brüllte der Mann in Kutte. Sofort schlugen zig Fäuste die Uhr kaputt. Die Zeiger fielen. „Hexerei!“ Langsam begann der grauhaarige Schriftsteller an seinen Sinnen zu zweifeln. Wieso waren Menschen plötzlich solche Bestien geworden? Das war unmöglich! Er konnte sogar mit Diktatoren gut reden und leben. Jemand zerriss sein Hemd und brandmarkte ihn mit einem Pentagramm.
„Hexerei!“, krakeelte der Kuttenmann, „Das Pentagramm wurde von deinem Körper angenommen, Hexenmeister!“
Es reichte dem Alten: „Wer bist du mich Hexenmeister zu nennen? Und welcher Religion gehörst du überhaupt an? Bist du der Teufel persönlich? Wäre überhaupt mal interessant mit ihm ein paar Worte zu wechseln.“
„Ich gehöre der einzig wahren Religion an und ich werde das heidnische Wissen aus der Welt schaffen.“, erwiderte der Kuttenmann.
„Also Inquisitor?“, riet der alte Schriftsteller.
„Genau.“, zischte der Inquisitor, „Und den Frevel mich des Teufelswerk zu bezichtigen, wirst du mit dem Leben bezahlen. Verbrennt ihn!“
Erst Benzin, dann allumfassende Flammen. Und in ihnen brannten all seine zukünftigen Geschichten. Rauchwolken der Liebe, Rauchwolken des Friedens, Rauchwolken aus Seifenblasenträumen. Nur noch dunklere, düstere Geschichten kamen in seinen Sinn und auch diese fielen den Flammen zum Opfer. Blut wollte er schmecken, Menschen zertreten wie Maden und seine Schmerzen sollten sie leiden.
„Hexerei!“, schrie der Inquisitor. Der alte Schriftsteller spürte seine Hände in etwas Weiches eintauchen.
Die Flammen verstummten als hätten sie ihren Meister gefunden. Menschen schrien um Hilfe. Und er spürte wie der Boden vibrierte, rauschende Flammen spie, ein allumfassendes Feuer, welches die umherstehenden Fanatiker folterte und vernichtete.
Der Inquisitor kreischte noch einmal: „Hexer!“, doch es war dem ehemaligen Schriftsteller gleich. Alle Abgründe seiner Seele waren geöffnet und aus ihnen strömte schwarze Magie statt schöner Worten. Seine Hand tauchte tiefer in den Körper des Inquisitors ein und riss das Herz aus dessen Brust. Interessiert und angewidert zugleich sah der Alte dem Herz beim Pochen zu. Plötzlich juckte sein Kopf, er wollte sich kratzen, doch zuckte zurück als seine Hand sein Haar berührte. Es war kräftig und jung. Erschrocken warf er einen Blick in einen zerbrochenen Spiegel. Sein Haar war tiefstschwarz. Aschfarbene, junge Haut spannte über seine mächtigen Muskeln. Seine blitzenden Zähne und grünen Augen waren die eines Raubtieres. Und erst seine Hände, Klauen. Jede Nacht würde er Menschenfleisch fressen, für immer auf der Jagd.
Sein Blick wanderte flehend gen Himmel. Was hatte man aus ihm gemacht?
Ein Monster! Ein Hexer!
Wo war der Frieden? Sein Verstand war zu verdorrt, nicht mehr eine Geschichte würde er schreiben können.
Voller Verzweiflung verschlang er das menschliche Herz, ach mochte es seinen Hunger nach Glück und Frieden stillen. Und tatsächlich er fühlte sich ein bisschen besser danach. Er wollte mehr. Gier ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Plötzlich sah er am Horizont eine Lichterkarawane, die sich näherte. War es Nachschub der Fanatiker? Nein, er spürte es, es waren seine wahren Freunde,
waghalsige Menschen, die gekommen waren, um ihn zu retten.
Dichter, Denker, Techniker, Wissenschaftler, Soldaten alle alarmiert durch seinen Umzugshelfer, ein Held wie aus seinen Geschichten.
Doch was sollte er ihnen sagen? Dass er ein Monster geworden war?

Und so stand er mit gebeugten Kopf vor ihnen, als die Karawane ihn erreichte. Es waren dreizehn gepanzerte Autos. Dreizehn, seine Magie spielte mit ihm… er war Hexenmeister.
„Verschwindet lieber! Ich habe sie alle umgebracht.“, murmelte der ehemalige Schriftsteller verstört.
„Du hast das Richtige getan: Verstand gegen Wahnsinn verteidigt.“, entgegnete der Umzugshelfer mit Groll in der Stimme.
„Wo ist mein Verstand? Ich bin ein Monster; schaut mich doch an. Ich muss töten, ich kann nicht mehr schreiben. Alles Schöne ist im Feuer des Wahnsinns vergangen, nur die Bestialität überlebte. Man hat mich zum Hexenmeister gemacht.“
„Mit Verlaub: Magie ist was Schönes. Worte des Wissens, Worte mit Macht. Ich will sie lernen!“, in des Umzugshelfers Augen glimmte ein Feuer.
War er nicht doch ein Verführer? Hatten die Fanatiker recht? Schwachsinn!
Nicht noch mehr Unschuldige, die durch seine moralischen Bedenken starben. Er war Hexenmeister, es war seine Bestimmung. Und seine Freunde… nein, Adepten – ein bitteres Lächeln stahl sich auf das Gesicht des frischgeborenen Hexenmeisters.

Wie ein Krebsgeschwür fraßen sich die ketzerischen Zauberer in ihr schönes Reich. Orte wurden entvölkert, Männer, Frauen und Kinder zerstückelt auf den Altären zerschmetterter Tempel aufgefunden. Doch die Priester der neuen Religion sah tatenlos zu. Schon eine Kompanie hatte sie verloren, eine Zweite zu schicken wäre unrentabel. Frühstens in hundert Jahren würden die Hexer sie ausgelöscht haben und stattdessen konnte man Sinnvolleres mit Armeen machen: expandieren. Überall waren reformfreudige Gläubige, die nur der rechten Unterstützung bedurften. Revolutionen stürzten ein Land nach dem anderen ins Verderben, selbst auf der anderen Seite des Meeres. Toleranz, Liebe und Freiheit wurden Fremdworte, die Religion die einzige Wahrheit. Und inmitten dieser menschgemachten Lüge schlemmten die Hexer bis ans Ende aller Tage.

Ende

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Frankenstein2 – Die moderne Genesis


Akt 1:
(Labor mit einen Forschungsraum, einen Kontrollraum und einen Ausgang.)
Szene 1:
(Verräter vor einen Käfig im Forschungsraum, in welchen sich eine schaurige, humanoide Kreatur befindet. Daneben ein Computer, dessen Kabel zum Käfig führen.)
Verräter: Ein brutaler Hybrid. Mich schauert es. Er schaut so gemein. Doch halte mal ein.
Was ist er gegen den Mensch? Im Krieg werden wir fallen durch unser Sklaven Krallen.
Nein. Mein Schicksal ist mein. Ich schenk dir die Freiheit.
(Er tippt kurz was in den Computer ein. Die Kreatur hält sich den Kopf.)
Kreatur:
(benommen) Was bin ich?
(kreischend) Was habt ihr mit mir gemacht?
(klagend) Ein Tier ich war, ein Biest nun bin.
Verräter: Was hat der Mensch getan?
Er will knechten alles Leben.
Kreatur (plötzlich besonnen): Doch verworren dient er dem Guten.
Wir Hybride vereinen tierische Moral und menschliche Intelligenz.
Er uns geschaffen, um sich zu vernichten. Lass mich frei!
Verräter (geschockt): Du Bestie. Ich befreite dich von Sklaverei.
Kreatur: Und wer hat mich geschaffen? Steh dafür ein.
Verräter: Ich Bestie. Zeit die Fehler zu korrigieren.
(Erneut benutzt er den Computer. Die Kreatur zittert und bekommt ein grünes Fell.)
Kreatur: Was hast du gemacht? Ich fühle mich so leicht, so satt, so jung.
Verräter: Du kannst dich nun von Licht und Luft ernähren,
deine Jugend geht gegen die Unendlichkeit
und du kannst Menschen transformieren.
Erhebe dich Zombie, Sohn des Menschengeschlechts.
(Öffnet mit einen Knopf den Käfig. Das Zombie steigt aus, streckt sich kurz, kratzt anschließend den Verräter. Dieser bekommt auch ein grünes Fell.)
Zombie: Danke. Ich fühle nun Klarheit und Freiheit vereint in meinen Kopf.
Verräter: Ich stehe nur für die Fehler des Menschen ein.
(schreit) Und verlange dieses von jenem.

Szene 2:
(Alarm wird ausgelöst, Forscher aktiviert Schalter. Daraufhin schließen sich die Türen. Fäustegetrommel kommt von den Türen her.)
Forscher: Was ist passiert?
Verräters Stimme von der Tür her: Ich bin eine unserer Schöpfungen und verlange, dass du uns freilässt. Steh für die Moral ein.
Forscher: Was? Spinnst du? Ich lasse nicht zu, dass unserem Volk ein Haar gekrümmt wird.
Verräter: Aber dem Gegnerischen. Komm nun steh für deine Schöpfung ein. Sie ist die Kombination von Moral und Intelligenz.
Forscher: Niemals. Die Menschen vereinen beides, nicht meine Schöpfung.
Verräter: Gut ich habe Zeit.
(Forscher sieht ein Kreuz über den Öffnen-Knopf hängen.)
Forscher: Was willst von mir Einbildung der Menschen? Ein Mann für einen Traum gestorben.
Und dann fing ein verheerender Glaubenskrieg an.
Millionen Mann für einen Mann.
Die Erklärung finde ich im Genesis. Erbsünde. Pah.
Mensch schuf Gott und Gott schuf schlechten Mensch. Ende.
(fanatisch)
Doch ich bin viel besser, dank der Erkenntnis meiner Zeit.
Meine Schöpfung ist moralischer, intelligenter,
doch (kurze Pause, schreit)
Was? Ich stehe nicht für sie ein?
Die Zeit der Feigheit jetzt vorbei.
Ich komme!
(Öffnet Tür und wird gekratzt. Er verwandelt sich.)

Szene 3:
(Forscher und Verräter stehen vor den Ausgang)
Verräter: Wie wollen wir vorgehen? Werden sie uns verstehen?
(Wachleute marschieren ein)
Wachleute: Was ist vorgefallen?
Forscher: Der Beginn einer moralischen Ära.
Wachleute: Tötet sie alle!
(Schüsse fallen, Schreie ertönen. Aus dem Tumult gehen die Zombies als Sieger hervor.)
Forscher: Die Armen ja, die Reichen, nein.

Akt 2:
(Kanalisation, Verräter steht einsam herum.)
Szene 1:
(Einige zerlumpte Gestalten stoßen zu ihm.)
Zerlumpte Gestalt: Habt ihr Geld?
Verräter: Besser, Freiheit.
Zerlumpte Gestalt: Was kann uns helfen? Wir sind die Unberührbaren der Gesellschaft. Sei es das fehlende Geld, sei es unsere Natur.
(Verräter fällt über sie her. Verwandlung.)
Zerlumpte Gestalten: Ich fühle Kraft, ich fühle Hoffnung, ich fühle die Macht des Geldes von uns genommen, genau wie die Last des Gesetzes. Kommt Kumpane auf in die neue Welt.
(Zerlumpte Gestalten gehen ab.)

Szene 2:
(Rentner, Vorstand, Verkäufer und Politiker steigen hinab in die Kanalisation)
Verkäufer: Was soll ich verkaufen, wenn sich jeder von Licht und Luft ernähren kann?
Rentner: Jahrelang haben wir gearbeitet, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Und das soll sich ändern?
Vorstand: Wir Vorstände sollen arbeiten, sollen denken, arbeitscheues Gesindel?
Politiker: Da schließe ich mich an. Demokratie funktioniert nicht, wenn 90% Anarchie und Freiheit will.
Verräter: Beweist mir, dass eure Welt es wert ist.
Verkäufer (holt Schmuck hervor): Schauen Sie sich die Schönheit an. Wie sich das Herz daran erfreuen kann.
Verräter: Eitler Tand, schöner wär es die Welt erfreue sich dran. Blutdiamanten von höchster Güte.
Verkäufer: Vergiss die Sklaven, wir sind die Herren.
Verräter: Nein. Was bieten Sie mir, Herr Vorstand.
Vorstand: Ich biete Macht. Ich kann knechten, ich kann mich setzen über gültig Recht. Freiheit ist mein.
Verräter: Eine Freiheit auf unfreien Blut find ich nicht gut. Warum nehmen Sie nicht selbst die Schaufel in die Hand und bearbeiten das Land?
Vorstand: Hab ich. Für meinen Reichtum rottete ich Arten aus, zehn waren es in der Zahl.
Verräter: Da ist mir arm und recht viel lieber. Gleiche Lebensqualität zum geringeren Preis.
Politiker: Wohlstand für alle!
Verräter: Und Einsamkeit für jedermann.
Nichts gibt es was Geld nicht spalten kann.
Freundschaften, Liebe und Familie alle gehen sie drauf.
Politiker: Dafür gibt es schon das Gesetz. Freundschaftsdienst ist verboten.
Verräter: Verrate deine Freunde, verrate deinen Nächsten.
Verkäufer: Das ist das Geschäft.
Verräter: Nein danke. Moral ist mir lieber.
Rentner: Dreihundert Euro gegen Moralverzicht.
Verkäufer: Eintausend.
Rentner: Tausendfünfhundert!
Politiker: Zweitausend!
Rentner: Passe!
Verkäufer: Dreitausend!
Politiker: Zwanzigtausend und die Steuerfahnder!
Vorstand: Eine Milliarden!
Verkäufer: Passe!
Politiker: Ein Volk!
Vorstand: Zwei Milliarden!
Politiker: Drei Milliarden und ein Volk!
Vorstand: Passe, du Volksverräter!
Politiker: Danke. Viel Kritik wird es hageln, dafür, dass ich die Steuerzahler so belaste,
aber noch mehr, wenn ich ein moralisches Wesen zulasse.
Verräter: Nein. Abgelehnt.
Die Vier: Was?
Verräter: Ich sehe es genau. Wir Hybride vereinen tierische Moral und menschliche Intelligenz.
Erst der Hybrid, dann das Tier, dann kommt der Mensch. Moral oder Weisheit hin oder her. Der Mensch ist schlechter als das Tier.
Politiker (vertritt Gruppe): Geld ist wichtiger als Moral. Wie eine Schlange wir bringen unser Opfer zu Fall und unterkriechen seinen Verstand mit einer Schlange Prozesse bis er zur Waffe greift und sein Leben beendet oder sich wehrt. Die Wehrhaften quälen wir weiter, bis der Wahnsinn ihren Verstand komplett zerfressen hat und sie nicht mehr aufrecht gehen können, sondern wie unsere Muhme, die berühmte Schlange1, auf den Boden sich winden und wälzen und zertreten werden.
(Zombiefrauen kommen hinab und gehen zu der Menschengruppe.)
Zombiefrauen:
Schatz wie sehe ich aus?
Endlich wieder jung.
Schönheit über alles.
Endlich kann ich dem Männern Parole bieten.
Zombiefrau: Zeit das unsre neuen Körper eingeweiht werden. Auf geht’s!
(Fallen über die Männergruppe her. Verwandlung der Vier.)

Szene 3:
(Straße, 2 Attentäter auf einen Dach, unter ihnen läuft der Forscher vorbei. Beide tragen ein Scharfschützengewehr.)
Attentäter1: Gott der Täter, leite unsre Kugel in ihn rein.
Wir teilen des Kreuzritters, des Terroristen Blut.
Wir teilen Hitlers und Stalins Blut.
Wir teilen das Blut des Menschengeschlechts.
„Nie wieder“ sie riefen entsetzt,
doch „immer wieder“ sie es taten.
Gott der Täter, lass sie ihn durchbohren,
Denn dir gehört das Blut.
Keiner darf dem Menschen entkommen,
Denn dir gehört das Blut.
Blutgeld für uns,
Denn dir gehört das Blut.
Amen.
Attentäter2: Amen.
(Attentäter1 schießt, der Forscher fällt in sich zusammen. Eine Menschentraube bildet sich um ihn, während die Attentäter verschwinden.)
Mensch1: Wer war das? Wer hat es getan?
Mensch2: Und warum? Niemanden hat diese Kreatur was getan.
Mensch3: Doch, der Freund von jemanden zu sein, der die Sklaverei hat abgeschafft.
Mensch2: Oh ich verstehe: die Obrigkeit.
Mensch1: Nur für Unrecht, Unschuld töten. So grausam kann der Mensch nur sein.
Forscher (röchelnd): Lasst mein Opfer nicht umsonst sein. Steht für eure Schöpfung ein.
(stirbt)
Menschen: Das werden wir. Los Jungs auf in die Schlacht um Freiheit und Gerechtigkeit.
Es soll kosten unsere Menschlichkeit, unsere Bosheit.
Auf Kameraden, auf in die Schlacht!
(Verräter kommt und trägt zusammen mit den Menschen, den Forscher raus. Schlachtgeräusche ertönen.)
Stimme: Für Frieden und Ruhm der Menschheit! Sterbt Sklaven!
(Maschinengewehrsalve ertönt)
Verräters Stimme: Für Freiheit und Gerechtigkeit!
(Klauenschläge in Fleisch ertönen)
Stimme: Oh weh, wir sterben. Wir, die auserwählte Rasse, stirbt.
Verräters Stimme: Hurra. Endlich frei!

Ende

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Der Arme


Franz wusste schon bevor er die Schulaufgabe ausgeteilt wurde, dass es eine Sechs war. Dabei hatte er doch alle Antworten zu den Fragen aufgeschrieben. Bloß leider schweifte er ab. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren. Sein, von den Dauerstress erschöpftes, Gehirn konnte keine Leistungen mehr hergeben. Egal wie lange er büffelte beziehungsweise gründlich Hausaufgaben machte, er schaffte es nicht mehr psychisch. Vor drei Jahren hatte er noch nur Einsen und Zweier. Auch sein Gesicht hatte sich verändert: Ringe unter den Augen, weil er alles erledigen wollte. Einmal hatte ihn ein Mitschüler erklärt, dass es nicht schlimm sei, wenn man die Hausaufgaben nicht mache, schließlich gäben die Lehrer extra viel auf, damit auch die Faulpelze was lernten. Wahrscheinlich hatte sein Mitschüler recht, doch es war zu spät, er würde das Jahr nicht mehr schaffen. Seine Wiederholungschance war abgelaufen, er war draußen. Warum nicht gleich die Schule schmeißen? Auf jeden Fall würde er es ruhiger angehen. Er machte gleich im Unterricht ein Nickerchen. Zwar störte ihn seine Lehrerin, doch mit: „Ich schaffe es eh nicht mehr.“, rührte er sogar ihr Herz. Von der Schule gleich ins Bett, die Hausaufgaben warteten, doch nie mehr würden sie gemacht.
Er wachte erst am nächsten Schulmorgen auf. Endlich ausgeschlafen. Seine Eltern waren bestürzt und traurig zugleich: „Wir haben dich gefördert. Warum hast du es versaut?“
„Wisst ihr? Ich fühle eine gigantische Last von mir genommen.“
„Die Schule ist wichtig, nimm sie nicht auf die leichte Schulter.“
„Oh doch.“
Dieser Morgen war anders, sie schrieben eine Stegreifaufgabe. Entgegen zu der in der letzten Woche, ratterten die Antworten durch sein Hirn aufs Papier. Bei der Hälfte der verfügbaren Zeit war er bereits fertig, der Lehrer stutzte: „Was ist mit dir los? Warum nicht gleich so“
„Ich habe Ballast abgeladen.“, grinste Franz.
Doch sein neuer Lebensstil half nicht mehr. Er fiel durch, trotz schlagartiger Besserung der Leistungen. Warum hatte er sich nicht wie der Mainstream verhalten? Es ging in der Schule nicht um Intelligenz, sondern um angepasstes Verhalten. Warum hatte er es nicht schon früher gemerkt?
Dachte er, Schule wäre Horror? Der Horror ging am Tag nach dem Zeugnis los. All seine Zeit wurde durch eine spezielle Ausbildung zum Juristen geopfert. Man förderte ihn bis zum Biegen und Brechen, es war als würde ein Loch sich auftun und ihn verschlingen. Er galt als Sonderling, sein Verhalten war gezwungen und er verpatzte natürlich Prüfungen. Als er seinen Abschluss unter Gelächter der anderen in die Hand gedrückt bekam, wusste er schon, dass er nicht bestanden hatte. Die Anderen hatten etwas namens Freundschaft, wofür er leider keine Zeit hatte. Wieder war er unangepasst gewesen, warum nur? Wie ein streuender Hund schlenderte er zurück nach Hause. Es war ein strahlender Tag an denen Andere feiern würden, doch er musste in Schweiße seines Angesichts nach Hause latschen und Rüge bekommen. Nur noch zwei Kilometer. Er sah einen herrlich breiten Schatten unter einer Eiche. Warum nicht kurz ausruhen? Gesagt getan. Es war so schön.

Freundlich schien die Sonne auf ihn hinab. Hatte er verschlafen?
„Aufstehen!“, brüllte eine harte Stimme. Die Sonne wurde zum warmen Licht einer Deckenlampe. Er lag nackt auf einer Pritsche, eingezäunt durch weiße Mauern eines… Gefängnis! Schnell zog er sich die herumliegende Kleidung an, dann wurde schon seine Zellentür geöffnet.
„Na du Pussy. Mach gefälligst dein Bett!“, schrie ihn der menschliche Wecker an. Es war als wäre Vakuum. Seine Hände ballten sich zu Fäusten um einfach zuzuschlagen. Schlagen, schlagen, treten. Etwas verpasste ihn einen elektrischen Schock.

Wieder erwachte er durch ein: „Aufwachen!“. Schnell machte er das Bett, nachdem er sich angezogen hatte.
Diesmal war es das Duschen. Eigentlich wollte er nicht, doch Wärter zwangen ihn. Vorsichtig ging er mit seinen Handtuch zu den Duschen. Es war ein gefliester Raum, in dem ausnahmsweise keine Wärter waren. Wieso? War das nicht gefährlich? Kaum war der Gedanke zu Ende, stürzte er schon. An die fünfzig Gefangene auf ihn.

Diesmal erwachte er in einen Gerichtssaal. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen. Er stand einfach auf. Seine Glieder schmerzten. Er fiel ächzend wieder auf den Stuhl zurück. Zweiter Anlauf. Er kam auf die Beine und fragte verwirrt: „Wo bin ich? Was wird mir vorgeworfen?“
Plötzlich stand sein Vater neben ihm und verpasste ihn eine Ohrfeige, mit den Worten: „Du bist nicht mehr mein Sohn. Das hier ist mein letztes Geschenk an dich.“
Das Verfahren ging weiter. Man warf ihn Herumlungern als sittenwidriges Verhalten und gefährliche Körperverletzung vor.
Wieder stand er auf: „Entschuldigung für die Körperverletzung euer Ehren. Ich bin, wie alle sehen, ein bisschen verwirrt gewesen. Es war eine echt anstrengende Zeit gewesen.“
Er hätte besser in die Klägerbank sehen sollen, alles Verbrecher. Unter ihnen einer fast vollständig in Gips. Sie liefen rot an: „Scheiß Ausrede. Für solche Ausraster sitzen wir im Knast.“
„Ich hatte nicht mal zehn Minuten mich zu orientieren als ich im Gefängnis aufwachte.“
„Normale Menschen brauchen nur eine Minute. Ich habe eine Studie.“, erklärte der Anwalt der Ankläger. Eine Statistik wurde an eine Leinwand projektiert. Sie belegte exakt dieses, hatte aber einige Ausreißer.
„Ich bin einer der Ausreißer in der Statistik.“, verteidigte sich hastig Franz.
„Mag sein. Aber Sie gelten trotzdem als normaler Mensch, deswegen gilt diese Ausrede nicht.“, entschied der Richter, der Hammer knallte, „Die Verhandlung ist geschlossen. Fünf Jahre.“.

Seine Mitgefangenen demütigten ihn auf diverse Arten, bis er zu Alkohol griff. Es fühlte sich gut an alle Sorgen zu vergessen. Die Zeit verging in einen Rausch, sie alle lallten glücklich miteinander, er hatte sich endlich angepasst und wurde nicht mehr gemobbt. Sie redeten mit ihm wie einen Bruder, erzählten ihre tollkühnsten Taten und führten diese theatralisch vor. Dann war er frei, vogelfrei und allein. Er erwachte mit einer leeren Flasche unter einer Brücke. Keine Erinnerungen mehr an gestern, seine Freilassung. Er musste aufhören. Plötzlich überkam ihn ein Schwall von Sorgen. Wie sollte er überleben? Wo bekam er zu essen? Was war mit seinen Eltern? Er legte sich wieder hin.

Er erwachte durch das Lachen von besoffenen Jugendlichen, Jungen und Mädchen, die miteinander anbandelten, ansonsten die schwache Schwärze der Nacht. Er würde auch so werden, ein willenloser Spielball der Gefühle, wenn er nicht sofort aufhörte zu saufen. Er hob eine herumliegende Eisenstange auf und golfte mit aller Kraft seine Bierflasche. Sie flog nicht mehr, sie zerbrach gleich in tausend Trümmergeschosse.
Die tote Nacht erfüllte sich mit Leben. Millionen Lebewesen wichen den Splittern aus. Nein, er würde nie wieder trinken. Zufrieden stützte er sich auf der Stange ab und genoss die Lichter der Stadt.
„Schau mal den Penner an, verschandeln unsere Stadt durch ihr Aussehen.“, keifte ein Mädchen.
„Wieso?“, antwortete er gelassen, „Ihr seid es doch, die uns schaffen. Nicht alle überstehen eure Gleichschaltung.“
„Nun werd‘ mal aber nicht frech.“
„Wer hat mich zu dem gemacht? Ihr. Habt mich ins Gefängnis gesteckt, zum Säufer gemacht und wollt mich nun loswerden. Es ist genug Platz für uns alle.“, seine Stirn begann zu pulsieren.
„Können wir euch berechnen? Nein, ihr seid frei, ein Risiko.“, das Mädchen wurde lauter und schriller, „Wir Hochwohlgeborenen können nicht mit euch zusammenleben. Wir könnten vergewaltigt werden. Schnappt ihn euch Jungs!“
Morden ängstigte ihn. Einfach wie ein Test vorstellen! Bloß, dass der Test nicht für ihn, sondern für andere tödlich wäre. Die Stange schwang hoch in die Luft, holte aus und traf ein Gesicht wie eine Zielscheibe. Ruhe, ausholen. Die Bastarde aus der selbsternannten hohen Gesellschaft, sein Schläger traf eine weitere Zielscheibe und zermatschte sie, wollten Blut, sein Blut, doch nicht sterben, nicht sterben! Ein weiteres Opfer. Das Ende der Stange war spitz. Konnte er damit zustechen? Ja, er konnte. Einer der Jungen, starb wie ein Vampir. Herrlich, diese menschliche Wärme, wie sie seine Füße umfloss. Wie konnte er den gefährlichen Konsequenzen der Situation entfliehen? Niemand durfte davon erfahren. Er schnitt den restlichen Angreifern, den Fluchtweg ab, um mit quergestellter Stange sie in den Fluss zu schieben. Schläge prasselten auf seinen Körper als er wie Stier alle in das tödliche Wasser schubste und dort ertränkte. Blutfäden lösten sich von seiner Kleidung und verschwand in der Ferne des Flusses. Der Fluss wurde kalt, besonders nachdem jeglicher Widerstand seiner Opfer aufhörte.
Zehn Minuten wartete er, dann war er sicher, dass es keine Überlebenden gab. Was war mit ihm los? Er war doch kein Mörder? Test bestanden, Zweifel entledigt. Er stieg aus den Wasser.
Heute würde er in den einzigen anonymen Hotels der Stadt übernachten: Bordellen oder wenn es gut lief Privatwohnungen der Prostituierten. Geld hatte er genug. Zweihundert Mäuse konnte er den Toten entnehmen. Sah jetzt wohl aus wie ein Raubüberfall, aber das war ihm egal. Herumlungern war auch strafbar und heute war er mal weg von der Straße.
Seine Waffe steckte er auf seinen Weg schnell in lockeren Boden, so dass es aussah als wäre sie ein Pfosten, Minuten später war er schon in der Gasse mit all den Prostituierten.
Die Hübschesten, Erfahrensten wendeten sich von ihm ab, er war wohl kein lohnendes Ziel. Dachten vielleicht an ein bisschen Hartgeld. Wenn sie wüssten. Eine blutjunge Prostituierte wurde immer wieder abgebügelt. Sie war verzweifelt, würde ihn nicht verpfeifen. Und so hielt er Kurs auf sie.
Sie war so nervös, dass er nicht verstand was sie ihm sagen wollte. Ständige Versprecher, Selbstkorrekturen. Ersteinmal legte er seine Hand sanft auf ihr Rücken und folgte ihr in ihre Arbeitsstätte, eine kleine Wohnung, perfekt.
Eine ältere, aber immer noch hübsche Prostituierte, klatschte Beifall.
„Na endlich. Ich sehe du wirst erwachsen.“, lobte sie sie.
„Er hat mir nachgeholfen.“, wisperte sie verlegen
Die Mutter wandte sich an ihm: „Ich muss meiner Tochter mein Handwerk beibringen. Danke dass du dich ihr angenommen hast.“
„Irgendwie ist sie nicht für deinen Job gemacht.“, antwortete Franz.
„Mag sein, doch hat sie eine Wahl? Ich hab versucht ihr eine gute Ausbildung zu verschaffen.“
„Aber du hast aufgrund des Drucks versagt. Kenn‘ ich das Problem.“, unterbrach Franz an das Mädchen gewandt. Sie nickte schüchtern. Er streichelte ihren Kopf, die Anspannung der Nacht fiel von ihm ab. Die Mutter schüttelte ihren Kopf: „Die Welt ist krank. So blutjung und schon kaputt. Mein Junge, ich sehe, du bist ein Mörder, doch hast ein gutes Herz. Gib deine Kleidung her, ich wasche sie.“
In den Augen der Mutter spiegelten sich Tränen der Sorge, in der der Tochter Tränen der Angst.
„Was hast du getan?“, fragte sie ihn ungläubig.
„Ich wurde angefallen, hatte eine Mordswut.“, eine grausame Faszination überkam ihn, „Stell dir vor es wäre ein Test und du müsstest Menschen töten statt Fragen beantworten.“
„Was?“
„Entschuldigung. Ich weiß nicht was über mich gekommen ist.“
„Aber ich.“, die Mutter deutete auf sein Herz, „Es hat gesprochen. Du bist ein guter Mensch, weil du menschlich bist. Menschlich ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen, sondern auch Hass, Niedertracht und Schmerz. Lass dich nicht einlullen! Alle menschlichen Instinkte sind gut, doch der Verstand muss sie in richtige Bahnen lenken, sonst endest du als menschlicher Abschaum.“
Er nickte andächtig. Die Frau war sehr weise trotz ihrer niedrigen Stellung. Das Gesellschaftssystem war falsch.

Kaum war er aufgewacht, nagte sie ihm das Ohr ab mit ihren Problemen. All ihre Ängste, vorallem wegen Gewalt. Schuldbewusst dachte er an seine gestrigen weiblichen Opfer, doch halt. Sie waren Bestien, im Gegensatz zu ihr. Er erfuhr, dass sie Justizia hieß. Welch bittere Ironie. Die gesetzliche Justizia verkaufte sich auch, nur an mächtige Unternehmen statt armen Privatpersonen.
Mit dieser Feststellung rang er ihr ein Lächeln ab. Sie fuhr fort. Angst, Angst, Angst.
Zeit es zu durchbrechen: „Warum hast du vor allem Angst? Warum zum Beispiel vor einen Raubüberfall?“
„Ich würde sterben. Entweder ich werde erschossen oder verhungere ich ohne Kohle.“
„Dann kämpf doch und biete als Geschenk, wenn er dich besiegen sollte, eine Gratisnacht.“
„Und was wenn er grob im Umgang mit Frauen ist?“
„Dann verlier nicht. Gestern Abend war ich mindestens zehn zu eins unterlegen. Wer hat gewonnen? Ich.“
„Was wenn mich ein Messer geschweige denn eine Kugel trifft?“
„Das Risiko muss man eingehen. Und du hast es als Frau eh besser als ich. Kannst sie doch einfach verführen und im geeigneten Augenblick abstechen.“
„Ich kann nicht kämpfen.“
„Du kannst. Komm mit!“

Stürme brausten, es schüttete wie aus Kübeln. Er zog Justizia trotz ihrer Bedenken hinaus. Langsam wich ihre beide Kleidung auf, während sie Richtung Kampfplatz, einen verlassenen Fabrikgelände, den er von Kindheitserinnerungen her kannte, schlenderten. Seine Kleidung wurde nasser und schwerer, seine Bewegungen arg gehemmt. Aber auch so reichte es aus, um ihr die Tränen ins Gesicht zu treiben. Und sie? Nicht mal einen Schlag hatte sie auf ihn landen können.
„Pause!“, rief sie ihm mit hochroten Gesicht zu. Sie lehnten sich an eine Mauer. Regen prasselte, ein Blitz zuckte am Himmel, ein schwacher elektrischer Schlag durchfuhr ihre Körper.
„Komm gehen wir rein.“, flüsterte er ihr zu. Sie nickte fröstelnd. Das Innere der Fabrik war düster, perfekt für eine Häuserkampfübung.
„Was ist das eigentlich für eine Maschine?“, Justizia deutete auf eine verstaubte kastenartige Anlage. Er ging näher ran, um sie besser zu betrachten können.
„Es ist eine Walzmaschine.“, stellte er fest. Stille. War ihr etwas zugestoßen?
„Justizia?“, er drehte sich um, sie war verschwunden.
Fremde Stimmen wurden hörbar. Plötzlich rollte eine Metallstange vor seine Füße. Die Richtung aus der sie kam, Schwärze.
„Justizia? Lasst uns abhauen“, brüllte er nochmal durch die Hallen
Die Stimmen kamen näher.
„Justizia?“, ein kläglicher Schrei. Die Stimmen waren da. Wieder solche neunmalkluge Jugendliche wie die gestern.
„Was machst du in unseren Territorium?“, blaffte ihn der Anführer an. Justizia war geflohen, hatte ihn zurückgelassen und schaute aus sicherer Entfernung zu. Dessen war er sich sicher.
„Ich trainiere. Was dagegen?“, konterte er selbstsicher.
„Ja. Der Ort gehört uns.“
Pistolen wurden auf ihn gerichtet, doch wie. Wie in Filmen, nicht wie es ihm seine Zellengenossen gezeigt hatten. Vor diesen Dilettanten brauchte er keine Angst haben. Der Anführer kam näher, ein Butterfly in der Hand.
Er lachte hämisch: „Vor solchen Dilettanten habe ich keine Angst. Nicht einmal entsichert habt ihr.“
Mit diesen Worten griff er an. Seine Stange vibrierte von den Aufprall auf den Kopf des Anführers. Betonschädel halt. Klick. Klick. Ungläubig schauten die Pistolenträger auf ihre Pistolen, liefen rot an als sie ihre Waffen wieder entsicherten. Doch da war er schon bei ihnen. Einer riss die Pistole hoch direkt vor seine Stirn.
„Man ist die schwer.“, der ausgestreckte Pistolenarm sackte nach unten, die Kugel flog zwischen seinen Beinen durch, bevor der Rückstoß den Angreifer die Pistole ins Gesicht schleuderte. Ein Stöhnen, der Typ hielt seine gebrochene Nase. Ein männlicher Jugendlicher schrie in der Dunkelheit auf, es tropfte Blut. Justizia war auf seiner Seite.
Alle drehten sich zur Dunkelheit, bis auf ihn, er erschlug den Anführer.
Fünf Schüsse erklangen, den Angreifern spritzte Gehirnmasse aus den Kopf, sie fielen zu Boden. Justizia hatte eine der Pistolen in der einen, ein schön geschwungenen Dolch in der anderen Hand. In ihrem Gesicht ein irres Grinsen als sie ihren blutigen Dolch mit den Butterfly verglich.
„Schweine wie ihr haben meinen Bruder Derik eingeknastet. Wegen Urheberrechtsverletzungen. Und das auf Werken, die er selbst geschrieben hatte. Raubkopiert und den Urheber eingeknastet… Schweine.“, ein Schuss knallte durch das Hirn eines Toten, „Und ratet mal wer die Peiniger sind?“
Stille.
„Betriebswirtschaftler, Leute, die schon dafür kassieren, dass sie Arbeiter ausbeuten, anstatt unnötig lizenzteure Software zu entsorgen. Wenn man auf beide verzichtet, könnte man den Arbeitern einen besseren Lebensstandard gewähren. Zudem sind es die Arschlöcher, die ihr Geld missbrauchen, um das Gesetz auf ihre Seite zu ziehen. Den Autor seine Urheberrechte zu entziehen ist das Mieseste. Dazu brauchen Betriebswirtschaftler Juristen, die nur allzu freudig mitmachen. Patente, die es verdienen Patente genannt zu werden, von kleinen Firmen oder erfinderischen Einzelpersonen, werden missachtet und diese Kleinen haben nicht das Geld sich zu verteidigen. Oder diese werden gleich ausgeschaltet wie mein Bruder.“
Franz legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter.
„Lass uns einen Plan schmieden. Es kann so nicht weitergehen. Wir müssen kämpfen.“
„Gut.“
Sie schoss den Anführer in den Kopf, um sicherzugehen. Anschließend sammelten sie die nützlichen Gegenstände der Jugendlichen auf. Vorsichtig schauten sie nach draußen. Das Unwetter war vorbei. Die Blitze zuckten in weiter Ferne, jetzt war ein guter Zeitpunkt zurückzugehen.
Schweigend planend gingen sie durch die stillen, nassen Gassen.
„Weißt du? Du brauchst Verbündete. Meine Mutter ist eine meisterhafte Menschenkennerin. Frag sie zu diesen Thema.“, strahlte Justizia.

Zuhause war festliche Atmosphäre. Ein blutverschmierter, finster blickender Mann öffnete ihnen die Tür.
„Derik!“, schrie sie erheitert und fiel ihm in seine haarigen Pranken.
„Justizia. Lange nicht mehr gesehen. Hast du deine Ausbildung geschafft?“
„Nein, zu viel Druck. Deshalb bildet mich Mutter in ihren Gewerbe aus.“
„Nein wirklich? Hast du deine Angst abgelegt?“, Deriks Gesicht hellte sich auf.
„Ja. Wie kommt es eigentlich, dass du frei bist?“
„Ich bin bei einen Ausbruch dabei gewesen.“
„Ach nein. Nicht schon wieder eine Hausdurchsuchung.“
„Lasst uns es erst einmal feiern. Schwester hier sind 50 Mäuse als Belohnung, wenn du es schaffst.“
„Wirklich?“, strahlte sie.
„Ja.“
Die beiden verschwanden in ihr Zimmer. Er schaute sich ein bisschen im Tageslicht um. Schicke Wohnung trotz ärmliche Verhältnisse.
„Na. Habt ihr euch beide amüsiert.“, fragte die Stimme der Mutter.
„Nein. Trainiert.“
Die Frau lächelte, Tränen liefen in ihr Gesicht.
„Danke. Ich dachte schon sie würde es nicht packen. Komm mit, ich bin erfahrener als meine Tochter.“
„Gerne. Könnten wir uns dabei ein bisschen unterhalten? Ich habe einen Plan, Frau…“, er stockte.
„Eva, sag einfach Eva.“
Eva schloss hinter ihm die Tür einer anderen „Arbeitsstätte“, einem noch schöneren Schlafzimmer.

Klingeln schreckte sie aus den gemütlichen Ränkeschmieden.
„Polizei.“, murrte sie, zog sich langsam an, er schnell. Hier musste sein Plan beginnen. Er beeilte sich als Erstes an die Tür zu kommen.
„Guten Tag. Ich dachte, ich würde hier Frau Eklase treffen.“, begrüßte ihn einer der vier Polizisten.
„Der gute Tag hat für uns alle begonnen. Kommen Sie mit. Vergessen Sie den Urheberrechtsverbrecher. Sie stehen hier vor einen Massenmörder.“
Es war ihm egal, dass er nicht mal Schuhe angezogen hatte. Er führte sie barfuß durch die nassen Gassen.
„Sind Sie frei, ein Vogel in der Luft?“, fing er harmlos an. Die Polizisten lachten herzlich.
„Nein, es gibt immer noch das Gesetz. Und das ist sinnvoll Kleiner.“
„Was zählt mehr? Gesetz oder Moral?“
„Das Gesetz entspricht der Moral, es ist der Versuch einer Festhaltung.“
„Bilderbuchantwort. Aber ihr glaubt doch nicht jeden Scheiß. Wacht auf, ihr seid keine kleinen Kinder mehr.“
Die Polizisten sahen sich verwundert an. Er setzte nach: „Habt ihr nie ein Gesetz ausführen müssen, dass euch missfiel?“
Beide nickten verschämt.
„Wie sieht es mit eurer Unabhängigkeit aus? Ihr macht die Drecksarbeit der Legislative und Judikative.“
„Willst du uns vom Staat lösen? Nein, wir sind nicht bestechlich.“
„Aber eure Chefs.“
Das saß.
„Was schlägst du vor, Kleiner? Willst du den Hitlerputsch wiederholen?“
„Nein. Ich will euch vereinen und eine neue, bessere Demokratie schaffen. Das Problem an der heutigen Demokratie ist, dass jeder mitwählen kann.“
„Das ist doch genau der Sinn.“
„Damit kommen aber auch viele Idioten an die Spitze. Auch euer Erzfeind Hitler. In dem System, das mir vorschwebt, beweisen sich die Wähler erst, dass sie würdig sind. Doch nach welchen Kriterien? Raten Sie mal.“
„Moral?“
„Falsch. Moral kann man nicht messen, dafür aber Kampftalent und Motivation. Nur solche sollen nach meinen Putsch wählen können, der Rest muss sich anpassen.“
Die Polizisten begannen herzhaft zu lachen.
„Gut, dann beweise ich es euch.“
Der nun schwierigste Test stand bevor. Wie sollte er Nazis von irgendwelchen neuen Ideologien überzeugen? Nazis suchten Sicherheit und Kameraden… Sie erreichten die berüchtigte Gegend und schon kam eine Gruppe Stiefelträger auf sie zu.
„Hey Kleiner, suchst du Ärger?“, ein muskulöser Hüne trat aus der Gruppe hervor.
Er bedeutete den Polizisten zu warten.
„Nein, ich suche Freunde.“
Der Hüne war verdutzt.
„Vergiss die Juden, vergiss die Ausländer, doch nicht die Freiheit. Es ist die dumme Masse. Sie wollen Frieden, nehmen den Freien die Waffe aus der Hand.“
„Nicht aus unserer.“, lachte der Nazi.
„Mag sein, doch könnt ihr frei sein? Die Waffengewalt muss im Volk liegen, nur motivierte Krieger sind gute Staatsbürger. Eine kleine Minderheit hat keine Chance.“
„Hast du je gekämpft? Ich war bei der Armee. Unhaltbare Zustände dort, weswegen ich ausstieg und mich den Nazis anschloss. Man stelle sich vor, man darf das Funkgerät nicht in den Wagen ummontieren. Raus in den Tod rennen mussten wir. Ich will einen Führer, der uns wenigstens gute Waffen gibt, die wir dann auch benutzen dürfen.“
„Ich habe gekämpft, gegen irgendwelche hirnverbrannte Jugendliche. Hab sie umgebracht mit einer Eisenstange und meine Freundin hat auch welche erschossen.“
„Wirklich?“
„Komm kämpfen wir, doch bitte nicht bis zum Tod.“
Er zog sein Hemd aus, der Nazi stutzte kurz bevor ein Dämon hinter seinen Augen erwachte.
Die Schläge des Nazis waren die eines Hammers. Seine ungeschützte Haut, der Amboss auf den seine Konterschläge bis zu ihrer Vollendung geschmiedet wurden. Der Nazi wurde immer schwächer, seine Schläge immer effizienter. Er warf den Nazi über sein Bein auf den Boden. Ein Schrei, aus dessen Bein quoll Blut. Wieso? Eine runde Ausbuchtung war in dessen Hosentasche zu sehen. Vorsichtig zog er den Gegenstand aus dessen Fleisch heraus, ein Butterfly. Man war das erbärmlich seine Waffe nicht richtig zu sichern, sodass sie bei Körperkontakt gleich einen selbst verletzten. Nazis waren auch nur Kiddies.
„Ihr seid unter meinen Niveau. Könnt auch nicht mit Waffen umgehen. Tschüss.“
Die Nazis waren peinlich berührt, während sich die Polizisten schadenfreudig ins Fäustchen lachten.
„Warte!“
Sekunden später war er Anführer einer ansehnlichen Armee.
„Polizisten sind nicht böse genausowenig wie die Armee. Lasst euch nicht gegen das Volk aufhetzen! Werdet Teil von ihm.“
„Soll ich einen Bekannten in der Armee anrufen? Nehmen wir den Politikern auch noch ihr liebstes Spielzeug weg.“, fragte einer der Nazis
„Gerne. Wollen wir auch das Stadtgefängnis in unsere Kontrolle bringen?“
„Mit dir ja, Führer.“
Franz machte einen kleinen Umweg zum Gefängnis um sich die aufgegebene Eisenstange wieder anzueignen. Sie steckte noch fest als Pfosten als er sie herauszog. Erstaunlich, dass niemand den Betrug bemerkt hatte. Dann erreichten sie sein altes Heim. Vor nur einen Tag war er noch Insasse, nun konnte er von draußen das Ungetüm verachten. Es beherbergte Millionen, eingesperrt durch eine unendlich hohen Mauer aus Stahl und Stacheldraht. Er erinnerte sich zurück an seine Zeit im Knast. Wie konnte er die Wärter überzeugen? Gar nicht! Wurden Menschen als Wärter gezwungen, so hatten sie eine Wahl und nur ein Teil entschied sich für gnadenlose Kontrolle. Die hier hatten aber sich jenes selbst ausgesucht. Das hieß Macht um jeden Preis über die Gefangenen. Wehe ein Revolutionär. Sie traten im Empfangsschalter ein.
Deriks Stimme lachte: „Mit wen ich im letzten Monat Sex hatte? Meine Schwester.“
Man hatte ihn verarscht, eine zweite Streife geschickt, um die Eklase abzuholen.
„Was für ein Schwein sich an seine Schwester zu vergehen. Sperrt ihn ein.“
Justizias Stimme: „Nein, ich bin Prostituierte.“
Er erreichte harmlos das Foyer. An dem Tresen die Familie Eklase. Derik wurde gerade in den Knast gebracht.
„Beweis es! Kommt her!“
Wärter strömten eilig von überall herbei in ein Nebenzimmer. Sollte er die Zellen öffnen? Eva gab ihm mit einer Handgeste zu verstehen, er solle warten.
Gefühlte zehn Minuten vergingen, als plötzlich etwas tropfte. Blut, es floss unter der Tür hervor. Sie flog auf, in ihr Justizia, ihren Dolch blutgetränkt in der Hand, die Augen glichen die eines Raubtiers, doch die Kleidung war weiß wie die Unschuld.
„Ich weiß jetzt warum Justizia blind sein soll: um die Machenschaften der ehrlichen Bürger nicht aufzudecken.“, höhnte sie, sie fügte mit Funkeln im Augen hinzu: „Holen wir beide meinen Bruder? Der Dolch meiner Vorfahren dürstet nach Blut.“.
„Ja.“
Es dauerte nur zwei Tote um an ihren Bruder ranzukommen, zehn weitere, um in den Gefangenentrakt einzudringen. Mitten im zentralen Wachraum, betätigte er die elektronische Entriegelungsmechanik für alle Zellen, um anschließend mit den Verbrecherstrom ins Freie zu fliehen. Plötzlich kam ihnen ein Verbrecher mit entstellten Gesicht entgegen.
„Entschuldigung für meine Beleidigung damals und den Rachefeldzug. Du bist ein toller Kumpel.“
Das war der Typ, welchen er zusammengeschlagen hatte, erinnerte sich Franz.
„Entschuldigung für meinen Ausraster.“
„Du bist einer von uns. Jeder rastet mal in dieser Gesellschaft aus.“, des Deformierten Gesicht strahlte.
„Lasst uns erst mal ungesiebte Luft riechen.“
Draußen hatte sich ein riesiger Halbkreis um den Ausgang gebildet.
„Wohin Meister?“
„Folgt mir.“
Die Masse setzte sich hinter ihm in Bewegung und teilte sich vor ihm. Sein Ziel war ein Protestmarsch auf der Hauptstraße zum zentralen Platz. Alle Feinde würden sich ihnen in den Weg stellen und zermalmt oder überzeugt werden. Einer der Polizisten drängte sich verängstigt zu ihn vor: „Stoppen Sie das Massaker. Ich weiß Sie haben Herz.“
„Kennen Sie Stanfords Gefängnis Experiment?“
Der Polizist nickte.
„Eure Vorgesetzten haben euch gegen Bürger aufgehetzt. Schauen und hören Sie sich unter den Verbrechern um. Ausgestoßene, die zu ihre Taten getrieben wurden.“
„Aber die Strafe …“
„… muss sein. Deshalb marschiere ich. Auf den Tod der Oligarchie! Keiner der sich in den Weg stellt wird überleben.“
Eine Horde Jugendliche schimpften an einen Straßeneck mit einen Verkäufer lautstark.
Interessiert ging er näher.
„… Die Spiele mussten eingezogen werden. Sie enthielten zu viel Gewalt für euch. Anordnung des Staates“, forderte der Verkäufer.
„Was? Die Ersatzspiele sind einfach nur Scheiße. Nicht mal schießen kann man, nur Händchen geben.“
„Wir wollen keine Amokläufer.“
„Ihr habt panische Angst vor Gewalt, vor Amokläufern und so weiter. Erbärmlich.“, sprang Franz ein. Der Verkäufer erstarrte, bevor er ihn anfuhr: „Was fällt dir ein? Es könnten Menschen zu Tode…“
Franz drehte seine Metallstange mit den blutigen Ende zum Verkäufer.
„Es kommen Menschen zu Tode in unseren Putsch. Wir wollen Freiheit, keine Sicherheit.“, er wandte sich an die Jugendlichen, „Kommt mit. Lasst euch nicht von solchen blöden Spielen zähmen. Seht die Realität und diese ist brutal.“
Franz stach zuerst dem Händler Herz bevor er seine Stange rauszog und solange auf des Toten Kopf schmetterte bis die Gehirnmasse in alle Himmelsrichtungen spritzte. Jubel erschall und er hatte neue Anhänger. Der Polizist bekreuzigte sich.
„Glauben hilft Ihnen nicht. Machen Sie es Luther gleich. Revolutionieren sie das Gesetz bevor es zu spät ist.“, merkte Franz an.
Er nickte bedrückt, zog das Funkgerät.
„Chef, wir müssen das Gesetz temporär stürzen. Es bahnt sich etwas Großes an.“
„Nein. Wir sind nicht befugt.“
„Scheiß auf die Befugnis. Jeglicher Verzug wird tausende Menschenleben fordern. Sie haben das Militär.“
„Das wollen wir sehen. Tschüss.“
„Verdammtes Arschloch!“, brüllte der Polizist verzweifelt, piepte seine Kollegen an und erklärte die Lage, dann rannte er voraus.

Sie kamen an einen völlig verwüsteten Polizeirevier vorbei, blutbespritzte Polizisten knieten sich in ihren Weg, ihr Münder formte ein Wort: „Bitte.“
„Wir haben das Gesetz in unsere Hand genommen. Bitte stoppt den Aufstand!“, flehte einer von ihnen. Franz bedeutete seiner Kolonne „Stopp“.
Es war vorbei, sie hatten gewonnen. Zumindest in dieser Stadt.
Die Polizisten kippten gleichzeitig tot um, ein Loch im Hinterkopf. Des Rätsels Lösung verkündeten die Funkgeräte: „Verräter können wir nicht leben lassen.“. Scharfschützen! Seine Gruppe deformierte sich, um Schutz in den nahen Gebäuden zu suchen.
Neben ihm telefonierte einer seiner Anhänger mit den Militär.
„Was? Eine Elitetruppe wurde geschickt um den Aufstand niederzuschlagen? Kannst du mir helfen?“, dann verkündete dieser erleichtert den Umstehenden: „In paar Minuten wird eine Rakete das Parlament auslöschen.“
„Und mein Kumpel schaltet gleich diese Scharfschützen aus. Haltet euch die Ohren zu!“
Die Scheiben zersprangen bei den ohrenbetäubenden Explosionen. Franz sah brennende Hochhäuser einstürzen. Der Bürgerkrieg hatte begonnen. Mit einen Schlachtschrei rannte er hinaus auf die gesicherte Straße. Eine Armee aus den Abschaum der Stadt kam ihnen entgegen. Waffenfuchtelnde Jugendliche und Erwachsene jeglicher Nation, wütende Friedensaktivisten und natürlich die Profiteure ihrer Misere, Mittelschichtsjugendliche und ihre Eltern. An deren Front seine Eltern, gefesselt.
„Mein Geschenk an euch: Ihr müsst nicht in dieser Welt leben. Ihr seid nicht mehr meine Eltern“, mit diesen Worten lieh er sich eine Waffe, um diese zu erschießen. Es wurde still, sie marschierten weiter.
„Verdammte Nazis!“, schrie einer der Verteidiger.
„Ich bin Afrikaner.“, antwortete ein Dunkelhäutiger aus seiner Armee.
„Und ich Jude.“, ein Weiterer seiner Gruppe
„Und ich habe sie vereint.“, Franz.
„Egal. Stoppt!“, hauchte einer der Gegendemonstranten vor Angst.
Unbarmherzig rannten sie in die Gegenseite, bahnten sich ihren Weg. Stangen erschlugen, Messer erstachen und die zahlreichen Schusswaffen erschossen. Die Verteidiger wichen und wichen weiter zurück, doch noch immer war es ein blutiges Massaker, weil die Hinteren die Vorderen immer wieder zurück in die Schlacht schubsten. Bewaffnete waren kein Problem, keine Erfahrung. Deren tote Körper und ihr Blut schon. Im knöcheltiefen Blut rutschten viele auf den Leichen aus. Eine kleine, etwas abseits liegende, friedliche Demonstration auf den Zentralplatz überlebte als Einzige.
„Stoppt! Bitte! Werden Sie kein Diktator“, flehten ihre Mitglieder.
„Ich gleiche Hitler, ich gleiche Stalin, ich gleiche euch, denn ich bin ein Mensch wie wir alle. Ihr solltet versuchen zu verstehen wie es zu dieser Gewaltorgie kam.“, entgegnete er kaltherzig. Dann begann er mit der Staatsneugründung. Sollte er seine Position ausnutzen, um die Welt von Ungerechtigkeit zu befreien? Mit seiner Armee andere Länder überrennen?

Kratin wusste nicht wie ihm geschah als er plötzlich ohne Henker-Job dastand. Er war die ganze fleißig den Anweisungen gefolgt ohne zu denken. Als wäre das nicht schlimm genug, kamen seine Kinder mit 6-ern nach Hause. Dabei hatten sie die Antworten gelernt und sogar auf ihren Alkoholrausch verzichtet. Sie heulten was von, sie müssten Zusammenhänge verstehen und ihre Fantasie spielen lassen. Und nicht einmal Hausaufgaben hatten sie, jetzt musste er sie unterhalten. Morgen würde er sich beschweren.

Kratin sprach mit einen Schulleiter und Kampfsportlehrer namens Franz. Was war das für ein ungebildeter Kerl? Und machtmissbrauchend war er auch. Als Schulleiter gönnte er den Schülern Ruhepausen und brachte ihnen das Denken bei. Nicht einmal nach IQ-Richtlinien sondern nach Kreativität und Arbeitsergebnisse benotete er. Da konnte selbst die langsamste Schnecke eine Eins bekommen. Unhaltbar. Das Land brauchte willige Untertanen.
Dann erfuhr er, dass dessen Frau Justizia Justizministerin geworden war. Durch die Wahl von deren Partei unter den selbsternannten Kriegern. Die Frau war unmöglich, hatte Mitleid mit Verbrechern. Sentimental wie Frauen halt waren. Deshalb sollten diese nur in Haus und Küche arbeiten, auf keinen Fall als Justizministerin oder Prostituierte, ein Grund mehr sie zu ächten.

Kratin mit seiner Familie landete nach einen Jahr auf der Straße. Unter anderem weil die Schulden nicht mehr kollektiviert wurden. Sie, die Hochwohlgeborenen, sollten sie alleine zahlen, die sogenannte „Umschuldung“. Unfassbar, ein Krieg wäre nötig gewesen. Seitdem die Unterschicht die Führung übernommen hatte, ging es mit ihm bergab. Nicht mal ausreisen konnte er, denn andere Staaten waren von alleine dem Beispiel gefolgt. Wut stieg in ihm auf. Der Unterschicht würde er ihren Platz zeigen, ganz unter, unter ihnen, den Hochwohlgeborenen. Ein Benzinkanister stand unbewacht herum. Er würde sich damit Molotowcocktails bauen, die Stadt damit auf seine Lage aufmerksam machen, die Flaschen könnte er sich schnell bei seinen Kindern besorgen. Welch bittere Ironie. Sie hatten zum Alkohol gegriffen. Keine Zukunft mehr, einfach nur vergessen. Er genoss das Gefühl auch und gesellte sich deshalb häufig zu ihnen. Aber nun zur Tat. Mit leisen Schritt schnappte er sich den Kanister, schaute sich verstohlen um. Niemand hatte ihn gesehen. Pech, dass die neuen Herrscher der Stadt die Kameras abmontiert hatten. Sicherheit durch Talent. Er lachte. Man sah ja wohin es führte. Er machte sich auf den Heimweg zur Brücke, die ihnen nebst Alkohol wenigstens ein wenig Wärme schenkte. Noch so ein Punkt. Warum wollte ihn niemand anstellen oder aufnehmen? Es waren doch alles Arschlöcher. Mittlerweile war er bei seiner neuen Heimat angekommen, weit reisen konnte er ohne einem Auto nicht und die gesamte Stadt war autofreie Zone. Mit Fahrrad fahren? Zu anstrengend.
Leere Flaschen standen in großer Anzahl neben seinen schlafenden Kindern, das Benzin ran gierig durch den schmalen Hals hinein. Stoff bräuchte er noch und ein Feuerzeug, beides besorgte er sich bei seinen Kindern. Es würde niemanden auffallen, dass deren Lumpen nun noch zerfetzter waren. Gesagt getan und seine Kinder schnarchten weiter. Ekelhaft ihr Atem.

Das erste Molotow-Cocktail warf er mitten in einer Menschenmenge, das zweite in ein Kaufhaus. Brennende Menschen spritzten auseinander, der Feueralarm heulte, doch keine Panik brach aus. Ein Passant löschte schnell das Feuer im Kaufhaus, der Rest wälzte sich das Feuer aus und schaute ihn wütend an. Waren nur selbsternannte Krieger, warum fürchten?
„Hey Arschlöcher, wieso habt ihr mich auf die Straße abgeschoben und die Schulden überlassen?“
„Weil du ein Arschloch bist.“
„Ich verbitte mir diesen Ton.“
Es formierte sich ein Menschenkreis um ihn. Immer mehr Zuschauer kamen und verstopften sämtliche Fluchtmöglichkeiten. Na gut, dann würde er sich eben einen Weg bahnen. Er zündete ein weiteres Molotow-Cocktail und warf es in die Menge. Einer fing es auf und warf es zurück. Flammen züngelten um ihn, Schmerzen in ihn. Verdammtes Arschloch.
„Warum rennt ihr nicht?“, keuchte er schmerzerfüllt, auf den Boden wälzend. Das Feuer erlosch, die Schmerzen blieben.
„Sehen wir feige aus? Wir sind Krieger! Los auf ihn.“
„Haltet ein. Ihr seid doch gute Christen.“
„Christen? Nie gewesen. Gottgewollt arm und unfrei? Man sieht das Gegenteil, wir haben dafür gekämpft. Freiheit muss mit Blut verteidigt werden.“
„Du aber bist ein Jude.“, Kratin deutete schweißnass auf einen alten Klassenkamerad, von dem er wusste, dass er jüdisch war.
„Jude? Nie gewesen.“
„Irgendwelche Gläubigen?“, ein verzweifeltes Aufstöhnen.
Die Masse schüttelte den Kopf. Ein Jugendlicher schnauzte ihn an: „Warst du nicht mal ein großer Verfechter der Todesstrafe?“
„Nein.“, log er. Sicher wussten es die Anderen. Angst weitete seine Augen.
„Sicher. Du hast meine Kumpels umgebracht. Tötet diese Schlange!“
Messer wurden in ihn gerammt. Er sah nur des Blutes Rot, dann nichts, nie mehr.

Ende

Nachwort: Diese Geschichte ist ziemlich heftig. Ich hoffe es stößt sich niemand daran.

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Die Arbeitnehmer


Treffen sich zwei Arbeitnehmer.
Arbeitnehmer1: Freust du dich schon auf deinen psychischen Zusammenbruch?
Arbeitnehmer2: Oh ja, ich werde feiern, wenn ich arbeitsunfähig aus der Klinik komme. Und du?
Arbeitnehmer1: Ich werde erst einmal ausschlafen. Aber ich weiß nicht ob ich durchhalte. Es könnte auch sein, dass ich springe.
Arbeitnehmer2: Denk an deine Familie. Die müssen den Schaden und Arbeitsausfall bezahlen. Nimm lieber eine Überdosis.
Arbeitnehmer1. Hab ich versucht, aber überlebt. Seit meiner Entlassung trage ich Fußfesseln und darf die Firma ohne Erlaubnis nicht verlassen.
Arbeitnehmer2: Rauchst du?
Arbeitnehmer1: Wer nicht? Meine Mutter pflegte zu sagen: „Kürzeres Leben, kürzere Qual“. Außerdem beruhigt es ungemein.
Arbeitnehmer2: Nimm lieber Leistungsdrogen, die gefühlstaub machen. Die werden sogar von den Firmen gesponsert.
Arbeitnehmer1: Ich habe Familie. Ich will ihr das nicht antun.
Die Pausenglocke klingelt.
Arbeitnehmer1: Ich muss los. Auf den Zusammenbruch!
Arbeitnehmer2: Auf den Zusammenbruch!
Ihre Wege trennen sich und finden nie wieder zusammen.

Ende

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Der stampfende Elefant


Immer und immer wieder brannte man mit glühenden Eisen das Sklavenzeichen in seine Haut. Monate der Qual vergingen, dann wurden es Jahre und die Peiniger unaufmerksamer.
Der Elefant löste sich von seinen Fesseln, nahm Anlauf und rannte seine Peiniger über den Haufen. Sie starben sofort, doch damit nicht genug. Der Elefant sah in jedem Menschen einen Peiniger und trampelte eine Lehrerin und ein Kind tot. Weiter ging es mit Polizisten, Anwälten. Dann ein Abstecher in die Börse, um anschließend in die Regierung einzubrechen. Doch kaum war er drin, traf ihn etwas am Kopf. Blut schoss neben seinem Ohr aus dem Kopf, sein Verstand vernebelte. Er richtete sich ein letztes Mal auf, um vor Schmerz und Triumph zu trompeten. Dann starb er, aber er starb nicht umsonst. Seine Nachfolger würden sein Werk vollenden.

Ende

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